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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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Seine Lordschaft beobachten könnte, wenn sie nicht bei ihm ist …«
    Der Maler sah von seiner Arbeit auf und blickte ihr – mir – in die Augen. »Vielleicht würde es Ihnen nicht gefallen, was Sie dort sehen würden«, sagte er.
    »Trotzdem wäre es mir stets lieber, die Wahrheit zu kennen«, antwortete Madame Dufay.
    Ein Schatten fiel auf das Gesicht des Mannes. Die Sonne war hinter das Dach des Gebäudes getreten, das der Dachkammer des Malers gegenüberlag. »Wir müssen für heute aufhören«, sagte er. »Jetzt ist nicht mehr genügend Licht.«
    Die Szene verdunkelte sich, und dann stand ich auf
einer Straße – oder vielmehr in einem Eingang, wo ich Unterschlupf vor dem Regen gefunden hatte. Eine Kutsche ratterte an mir vorüber und spritzte kaltes Wasser auf meine Füße. Ich bemerkte, dass der Saum meines Kleides beschmutzt war, und als ich wieder aufsah, erregte etwas Blaues auf der anderen Straßenseite meine Aufmerksamkeit. Es war der junge Maler, der einen Laden betrat. Über der Eingangstür hing ein Schild mit einem körperlosen Auge.
    »Das muss Dees Geschäft sein«, sagte ich laut. »Der Maler versucht jetzt wohl herauszufinden, wie er dem Liebauge die Macht des Sehens verleihen kann. Wenn ich doch nur hineinblicken könnte …«
    Als wollte sie meinem Wunsch Folge leisten, trat Madame Dufay wieder auf die Straße. Der Regen fiel mir auf Kopf und Schultern, und es roch streng nach Abwässern und Müll.
    »Ein Mörser und ein Stößel«, beschrieb ich Oberon. »Der Ladenbesitzer zerstößt etwas. Es ist wohl eine Apotheke.«
    »Ja«, erwiderte Oberon ungeduldig. »Dee hat sich oft als Apotheker ausgegeben. Nun frag sie, ob sie uns Dee HEUTE zeigen kann!« Das Wort »heute« sagte er so laut, dass ich zusammenzuckte. Auf der Pariser Straße strauchelte Madame Dufay. Regennasses Kopfsteinpflaster kam mir verschwommen entgegen, und dann veränderte sich das Bild abrupt. Ich befand mich in einiger Höhe, wie auf einem Balkon, und sah auf einen kleinen, bernsteinfarbenen Raum hinunter, dessen Boden mit Perserteppichen ausgelegt war und an dessen Wänden Gemälde hingen. Irgendwo prasselte ein Feuer, dessen Schein das Gesicht
eines Mannes erleuchtete, der auf einem roten Sessel vor dem Kamin Platz genommen hatte.
    »Das ist es!«, rief ich, denn nun erkannte ich das Zimmer, das ich unter dem East River und auch im Fernsehen gesehen hatte. Nur der Blickwinkel war ein anderer, weil ich mich in dem Bild über dem Kamin befand. Aus dieser Perspektive stellte ich fest, dass es sich um einen achteckigen Raum handelte.
    »Es ist ein Turmzimmer, würde ich sagen«, bemerkte ich laut.
    »Gibt es darin Fenster?«
    Ich musterte die Wand mir gegenüber. Sie war mit Bernstein vertäfelt und mit Gemälden geschmückt … aber dann fiel mir zwischen zwei Paneelen eine schmale Lücke auf. »Es sieht aus wie ein hohes, schmales Fenster, so wie es sie in manchen Türmen mittelalterlicher Burgen gibt … aber … verdammt!«
    »Was denn?«, drängte Oberon. »Kannst du denn gar nichts erkennen?«
    »Nein.« Das Fenster war dunkel. »Natürlich nicht. Es ist schon Nacht draußen.« Aber noch während ich sprach, stellte ich fest, dass es doch etwas gab. »Etwas weiter weg ist ein rotes Licht … so wie ein Leuchtfeuer.«
    Oberon schnaubte. »Das könnte alles Mögliche sein! Sie hat dir vorher doch auch ihre Erinnerungen offenbart, kann sie das Zimmer nicht bei Tag zeigen?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte ich. »Diese Erinnerungen hatten allesamt eine Bedeutung für sie. Ich denke nicht, dass in diesem Zimmer viel geschieht, wenn überhaupt irgendetwas, das sie wirklich bewegt …« Überrascht bemerkte ich, dass mir die Stimme brach. Die Traurigkeit
war ganz verstohlen über mich gekommen; die Qual, für die Ewigkeit in Farbe und Leinwand eingeschlossen zu sein, sickerte in meine Knochen. Tränen traten mir in die Augen. Eine stieg zwischen die Brosche und mein Auge. Das Bild von John Dees Versteck zuckte und verschwamm, und das rote Licht vor dem Fenster vergrößerte sich wie ein sterbender Stern. Aber plötzlich zog ich scharf die Luft ein. Ich erkannte das Licht. Dabei konnte ich nicht sagen, was meine Wahrnehmung in diesem Augenblick steuerte, ob der Anblick, die Erinnerung oder etwas noch viel tiefer in mir drin – vielleicht der flackernde Funke des Wissens, den Ddraik mir vermittelt hatte.
    »Ich weiß, was das für ein Licht ist!«, sagte ich und ließ die Brosche von meinem Auge gleiten. »Es ist das

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