Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
Vom Netzwerk:
eine über ein Meter hohe Mauer von ihr getrennt. Rechts befanden sich kahle Bäume, schattenumlagertes Gras und die graffitibeschmierten Lampen des Riverside Parks; die Wege dort waren zwar geteert, aber nicht breit genug, um sie mit einem Auto befahren zu können.
    Ich versuchte es beim Notruf, während der Chauffeur offenbar ebenfalls darüber nachdachte, welchen Weg er nun einschlagen konnte. Die Nummer war besetzt – etwas, das bei der breiten Netzanbindung überhaupt nicht passieren sollte. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, wie viele Katastrophen sich bereits in der Stadt ereignet
haben mussten, wenn man bedachte, was wir schon auf unserem kurzen Weg gesehen hatten – sicher waren mehr als zehntausend Anrufe nötig, bis das Netz überlastet war. Dann war Wills Geduld mit seinem Fahrer vorüber. Er riss das Fenster in der Trennwand zwischen den Vorder- und Rücksitzen auf, befahl dem Chauffeur, auf den Beifahrersitz zu rutschen und glitt mit den Beinen voran geschmeidig wie ein Jaguar hinters Steuer. Während er das Lenkrad nach rechts riss, drückte er hart aufs Gas, manövrierte den Rolls auf geradezu unmögliche Weise an einigen Autos auf der mittleren und rechten Spur vorbei und überwand die Bordsteinkante zum Park hin mit nur einer winzigen Erschütterung. Dann schoss er überraschend ruhig über das Gras, zwischen den hageren, winternackten Bäumen hindurch und kam so mühelos voran, als sei er als Jogger im Park unterwegs.
    Trotz all seiner Geschicklichkeit fürchtete ich dennoch einmal, dass wir gegen eine majestätische Eiche prallen würden, die wie aus dem Nichts plötzlich vor uns aufragte. Einen winzigen Augenblick hatte ich den Eindruck, als sei der Baum wirklich vor unseren Kühler gesprungen, und seine Wurzeln seien wie federnde Beine über den gefrorenen Boden geglitten, während in den fein verzweigten Enden der Äste winzige Augen saßen, die es der Eiche ermöglichten, genau die richtige Position einzunehmen. Ich kniff die Augen zusammen und bereitete mich auf einen schrecklichen Aufprall vor. Und in dem Moment, in dem ich meine Augen schloss, fühlte ich einen starken Wind durch den Wagen blasen, der uns in eine Leere stürzte, die tiefer war als bloße Dunkelheit. Als ich die Augen wieder öffnete, konnte ich nicht das Geringste
sehen. Die Temperatur schien stark gefallen zu sein, aber die einzige Bewegung in dieser völligen Schwärze war mein eigenes Zittern; der Wind war verschwunden. Kurz hörte ich ein ganz schwaches, hohes Jammern. Mir kam der Gedanke, dass ich auf eine so winzige Größe reduziert worden war, dass ich nun auf dem kühlen Kern eines einzelnen Atoms stand und das Schwirren der Elektronen hörte. Ich konnte das Atom sogar lokalisieren; es befand sich am Rand des Universums. Ohne Vorwarnung kehrte jedoch die Realität des Autos wieder zurück – einen Augenblick noch schien es sich zu drehen, war aber nicht verunglückt -, und dann fuhr Will bereits wieder ruhig über den nächsten Bordstein und auf den Riverside Drive Richtung Norden. Er bog so lässig nach rechts auf die West 76th Street ab, als wollte er nur schnell auf den Supermarktparkplatz am Broadway, dann wandte er sich nach links in die West End Avenue. Ich war sprachlos vor Erleichterung und Staunen. Als wir an einer Ampel in einer langen Autoschlange hielten – offenbar war hier aufgrund der Unfälle auf dem Highway schon wesentlich mehr Verkehr als sonst -, nickte Will dem Fahrer zu, stieg aus und auf dem Rücksitz wieder ein, und der Chauffeur übernahm erneut das Steuer.
    »Was um alles in der Welt war das?«, fragte ich.
    »Die Transmigration der Atome«, sagte Will leichthin. Er lächelte, und in diesem Lächeln lag ein kleiner Triumph.
    »Und was ist das?«
    »Wie ich dir schon auf Governors Island sagte, kann ich nicht direkt fliegen, aber …« Er schlang den linken Arm um mich und drückte liebevoll meine Schulter.
»Atomtransit ist sozusagen die nächstbeste, wenn nicht sogar eine bessere Möglichkeit. Du hast mit Melusine zusammen bereits etwas Ähnliches in Wasserform kennengelernt, aber der Atomtransit ist auf die Luft beschränkt. Mir hat vor vielen Jahren einmal ein Unirdischer diese Technik beigebracht, aber nicht ganz richtig, deswegen passieren durchaus unerwartete Dinge, wenn ich sie anwende. Generell ist die Willensanstrengung, die dafür erforderlich ist, enorm, und deswegen kann man wirklich nur in größter Not darauf zurückgreifen. Der bösartige Baum, der uns angriff,

Weitere Kostenlose Bücher