Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
Vom Netzwerk:
Parkway hinabblickte. Will lehnte sich dagegen und sah mich an. Das silberne Licht in seinen Augen wurde dunkler, schimmerte erst matt wie ein angelaufener Teller, dann wie der Himmel vor einem Sturm. Ich fühlte, dass sich etwas in ihm zusammenbraute, etwas, das sich vielleicht auch gegen mich wenden mochte.
    »Ja, ich kannte sie. Kannte sie und liebte sie und verlor sie schließlich. Sie ist der Grund, weshalb ich bin, was ich heute bin …« Er lachte. »Nun, ich sollte wohl sagen, was ich heute Nacht bin.« Mit einem Ruck schwang er sich auf die Mauer und ließ seine Beine auf der dem Fluss
zugewandten Seite hinunterbaumeln. Hätte er die Arme ausgebreitet und wäre davongeflogen, es hätte mich nicht überrascht, aber stattdessen klopfte er auf die Steine neben ihm. »Setz dich zu mir«, sagte er, »dann werde ich dir alles erzählen. Immerhin ist es auch deine Geschichte.«
     
    »Als junger Mann war ich, wie ich bedauerlicherweise zugeben muss, sehr von mir selbst und meinem guten Aussehen eingenommen und ausgesprochen oberflächlich.« Sein Gesicht hatte er dem Fluss zugewandt, als er sprach, und von daher konnte ich nur sein Profil sehen, das sich vor dem Nachthimmel abhob wie eine weiße Kamee, in Onyx eingefasst. Es war ihm durchaus nachzusehen, dass er ein wenig eitel gewesen war. Aber oberflächlich? Falls das wirklich einmal gestimmt hatte, dann hatten ihm die vergangenen Jahrhunderte inzwischen erhebliche Tiefe verliehen. »Tatsächlich war ich unglaublich selbstverliebt – trotz des Umstands, dass viele schöne junge Frauen sich in mich verliebten und mein Vater mich beschwor, endlich zu heiraten und ihm einen Erben zu schenken, war ich nicht bereit, mich an eine einzige Frau zu binden und so die Bewunderung vieler aufzugeben. Mein Vater wünschte sich so verzweifelt einen Stammhalter, dass er sogar einen Dichter engagierte, der mich in seinen Versen beschwören sollte, mich fortzupflanzen, um meine eigene Unsterblichkeit zu garantieren. Besagter Dichter gab mir Unterricht in Dichtkunst und in der Liebe und versuchte mir begreiflich zu machen, welche Verantwortung meine gesellschaftliche Stellung mit sich brachte … und dann verliebte sich der Dichter in mich.«

    »Augenblick«, sagte ich, »das kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    Er lächelte und fuhr mit seiner Geschichte fort. »Nun sagte mir der Dichter nicht länger, ich solle einen Sohn zeugen, um meine Unsterblichkeit zu sichern – vielmehr sollte ich auf ihn vertrauen, dass er mich durch seine Verse unsterblich machte. Eitel, wie ich nun einmal war, gefiel mir diese Vorstellung sehr, und als der Dichter schließlich wieder fortgeschickt wurde, folgte ich ihm nach London und trat seiner Schauspieltruppe bei.«
    »Sag nicht …«, unterbrach ich ihn. »Der Dichter hieß William Shakespeare.«
    Er wandte sich mir zu, und seine Augen blitzten verschmitzt. »Sag nicht …«, wiederholte er, »da siehst du einen Mantikor, einen Vampir und eine Elfe, aber du wunderst dich über William Shakespeare?«
    »Ja!«, beharrte ich. »Das ist wie bei diesen Séancen, bei denen alle gerufenen Geister mindestens die Seelen von Kleopatra oder Napoleon sind.«
    »Ich verstehe, was du meinst«, nickte er. »Sollte ich ihn dann also den Dichter nennen, um die Geschichte für dich etwas glaubwürdiger zu machen?«
    »Ach, nenne ihn doch wie du willst«, rief ich und gab mich mit erhobenen Händen geschlagen. Was nützte es, die Einzelheiten zu hinterfragen, da ich doch offenbar die Grundprämisse bereits akzeptiert hatte? Davon abgesehen gab es einfach zu viel, was mich neugierig machte. »War es wirklich William Shakespeare? Wie war er denn so?«
    »Besessen. Verrückt. Er war wirklich jemand, der von einem Hauch des Unirdischen berührt worden war. Manchmal glaubte ich, er sei ein Zauberer, so oft schmiedete
er wahre Zaubersprüche aus seinen Worten. In ihm brannte ein Feuer, neben dem so etwas hier«, er machte eine Handbewegung zu den vielen Millionen Lichtern von Manhattan, »wie ein Schwarm Glühwürmchen gewesen wäre. Wie hätte ich nicht seinem Bann erliegen können, obwohl ich schließlich herausfand, dass es in London jemanden gab, der mit mir um seine Aufmerksamkeit wetteiferte?«
    »Meinst du nicht Stratford-upon-Avon?«
    Er neigte den Kopf und hob beinahe spöttisch eine Augenbraue. Für einen kurzen Augenblick erhaschte ich einen Blick auf den grausamen jungen Mann, der er einst gewesen war, und fühlte einen Funken des Bedauerns für die jungen

Weitere Kostenlose Bücher