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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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kleine Tümpel aus dunklem, stumpfem Rot und Braun versunken. Hier und dort kam jedoch ein kleiner Spritzer hellerer Farbe und stärkeren Lichts durch. Ein Mann, der die Hand seiner ältlichen Frau hielt, schimmerte violett, und ein Kind, das seine Puppe umklammerte und seiner Mutter das ABC aufsagte, war von einem rosafarbenen Schein umgeben. Und als ich die Station erreichte, auf der mein Vater lag, fühlte ich sofort, dass die Umgebung heller und freundlicher wurde.
    Eigentlich war gerade das nicht zu vermuten gewesen. Der Zustand vieler Patienten hier war kritisch, aber es herrschte eine tiefe Ruhe, die ich auf den anderen Stationen nicht empfunden hatte. Ich holte tief Luft und merkte dabei, dass ich den ersten vollen Atemzug tat, seit ich aus der U-Bahn ausgestiegen war. Es roch noch immer nach abgestandenem Desinfektionsmittel, aber unter diesem Geruch – vielleicht auch darüber oder drum herum – bemerkte ich eine frische Note, wie Luft, die zuvor zwischen Kiefernbäumen und Wasser herumgewirbelt war. Sie wurde stärker, als ich mich dem Zimmer meines Vaters näherte. Schließlich sah ich es auch – ein grünes Leuchten, das in den Flur hinausdrang. Für einen kurzen Augenblick hielt ich inne und atmete es ein. Erneut breiteten sich Ruhe und Hoffnung in mir aus. Welche Rolle spielten überhaupt alle Geldsorgen der Welt, solange mein Vater noch lebte und ich auch? Einer meiner liebsten lateinischen Wahlsprüche ging mir durch den Kopf; ich hatte ihn einmal auf einem alten Siegelring entdeckt, den ich für eines meiner Medaillons verwendet hatte. Dum spiro spero .
Solange ich atme, hoffe ich. Ich würde eine Möglichkeit finden, unsere Probleme zu lösen, und ich würde tun, was in meiner Macht stand, um Dee aufzuhalten. Aber zunächst wollte ich herausfinden, von wem diese heilende Aura ausging.
    Als ich das Zimmer betrat, saß Obie Smith auf einem Stuhl am Bett meines Vaters und spielte mit ihm und Zach Reese Karten. Zach und mein Vater lachten über etwas, das der Krankenpfleger gerade gesagt hatte. Sie bemerkten gar nicht, dass ich gekommen war. Obie Smith hingegen schon. Er wandte mir das Gesicht zu, und ich sah Funken aus grünem Feuer aus seinen Augen und seinen Fingerspitzen fliegen, als er eine neue Runde gab. Goldene Blitze erhellten die Luft um ihn herum. Ich hätte diese Blitze einst für Augenflimmern gehalten, für ein neues Symptom der optischen Migräne, aber ich hatte noch nie gesehen, dass dieses Flimmern die Form von Elfenflügeln annehmen konnte.
    »Garet«, rief mein Vater, als er mich nun auch in der Tür verharren sah, »wieso stehst du da mit offenem Mund herum? Komm herein! Du wirst es nicht glauben, aber dieser junge Mann … wie heißen Sie gleich wieder?«
    »Oberon.« Er hielt seinen Blick auf mein Gesicht gerichtet, als er die Frage meines Vaters beantwortete. »Oberon Smith.«
    Oberon. Der Elfenkönig , dachte ich, und stellte verwundert fest, dass es noch immer Dinge gab, die mich verblüffen konnten. Wie jetzt gerade der Anblick dieses Geschöpfs aus Shakespeares Sommernachtstraum .
    »Oberon hat früher auf Haiti Santé Leone gekannt«, sagte mein Vater.

    Ich sah meinen Vater an. War es möglich, neben diesem … diesem Geschöpf zu sitzen, neben dieser Lichtgestalt, ohne zu erkennen, was er war? Andererseits hatte ich ihn zuvor auch schon zweimal getroffen, ohne zu vermuten, dass er mehr war als vielleicht ein besonders fähiger Krankenpfleger und allgemein ein guter Mensch. Dabei war er das nicht einmal. Soviel war mir inzwischen klar, als ich endlich eintrat und er aufstand. Die halbdurchsichtigen grüngoldenen Flügel breiteten sich hinter ihm aus wie bei einem Pfau, der ein Rad schlug. Beinahe hatte ich das Gefühl, ich müsse einen Hofknicks machen, aber er war es, der sich zuerst vor mir verbeugte und auf den Platz deutete, den er gerade frei gemacht hatte.
    »Bitte, Miss James, nehmen Sie meinen Stuhl. Sie sehen aus, als hätten Sie eine kurze Nacht gehabt.«
    Seine Augen lagen auf meiner Kehle. Zwar hatte ich mir den Schal um den Hals geschlungen, aber ich spürte, mit welcher Kraft sein Blick auf den zwei kleinen Einstichen ruhte. Mir schoss das Blut ins Gesicht.
    »Du siehst müde aus, Garet. Du musst ein wenig auf dich achten, wenn ich nicht zu Hause bin, um für dich zu sorgen.«
    Beinahe hätte ich laut aufgelacht, als ich den bittenden Blick meines Vaters sah. Wann hatte ich das letzte Mal das Gefühl gehabt, dass jemand für mich sorgte ? Vermutlich, bevor

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