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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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Türme wurden zerstört – eine der Hüterinnen wurde getötet …«
    »Ich dachte, ihr wärt unsterblich.«
    Oberon schüttelte den Kopf. »Wir altern nicht, aber wir können getötet werden, und manchmal … schwinden wir auch.« Er stieß die Worte mit so düsterer Betonung aus, dass ich es nicht wagte, ihn um eine weitere Erklärung zu bitten. Stattdessen erkundigte ich mich, was mit den drei anderen Hüterinnen geschehen war.
    »Eine tauchte unter, eine beschloss, menschlich zu werden – das war deine Vorfahrin, Marguerite.«

    »Und die vierte?«
    »Wir erwähnen sie nicht mehr«, sagte er, wandte sich ab und ging weiter. »Sie wechselte zur anderen Seite. Und dafür wurde sie in die tiefste Hölle gestoßen.«

Der König der Schatten

    Gerade fragte ich mich schon, ob wir vielleicht auch in die tiefste Hölle hinabstiegen, als wir am Ende der Treppe einen runden Raum erreichten, von dem vier schmale Gänge abgingen. Ich konnte keine Markierung erkennen, aber Oberon zögerte keine Sekunde, bevor er sich für einen entschied. Dort führte er die Flamme an seiner Hand zu den Leuchtern, die an der Wand montiert worden waren, und sofort flammten die Lichter auf und erhellten einen Gewölbegang. Ich versuchte festzustellen, in welche Richtung wir gehen mochten, aber die lange Wendeltreppe hatte meinen Orientierungssinn völlig durcheinandergebracht. Jedenfalls konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass wir uns noch immer unter den Straßen von Manhattan befanden – dass über unseren Köpfen in der »echten« Welt U-Bahnen von einer Station zur anderen fuhren, Menschen zur Arbeit gingen, sich zum Mittagessen trafen, in Fitnessstudios trainierten, ihre Hunde ausführten, quengelige Kinder für ein Schläfchen ins Bett brachten. Der Gedanke kam mir vor wie eine Illusion. Das hier hingegen war »echt« – die soliden Steinwände, die gewölbte
Decke … Sie war mit Keramikfliesen gekachelt und wies ein Muster auf, das mir vertraut vorkam.
    »Hey«, rief ich Oberon nach, der zügig voranging, »diese Decke sieht aus wie die in der Oyster Bar im Grand-Central-Bahnhof und wie die in der Kuppel der Kathedrale St. John The Divine.«
    »Das liegt daran, dass hier derselbe Baumeister am Werk war – Rafael Guastavino«, antwortete Oberon, ohne sich umzudrehen. »Er wurde in den 1890er-Jahren hierhergebracht. Vorher hatten wir immer große Probleme mit Wassereinbrüchen.«
    »Wirklich? Du willst damit sagen, dass ein bloßer Sterblicher bessere Arbeit leisten konnte als ein Grüppchen unsterblicher Elfen?«
    Oberon blieb so abrupt stehen, dass ich mit ihm zusammenstieß. Sein Gesicht wirkte gequält, aber er sprach mit sanfter Stimme, die beinahe ein wenig traurig klang. » Bloß sterblich ist ein Irrtum«, sagte er. »Es gibt sehr viele Dinge, die ihr leisten könnt und wir nicht. Wir mögen früher einmal ein bedeutendes Volk gewesen sein – viele von uns wurden als Götter angebetet -, aber über die Jahre verloren wir die Kraft, neue Einfälle zu entwickeln, und schotteten uns immer mehr ab. Die Ideen, die bei uns heute noch Funken schlagen, stammen aus dem Kontakt mit deiner Art – von den großen Denkern und Schöpfern unter euch. Dieser Funke hält uns am Leben. Davon zehren wir.«
    »Du sagst das so, als wärt ihr Parasiten.«
    Er schüttelte den Kopf. »Die Menschen, die wir berühren, blühen in unserer Gegenwart auf. Sie erschaffen ihre besten Arbeiten, während wir ihre Träume trinken. Diese Beziehung kommt beiden zugute.«

    »Und was geschieht, wenn ihr diese Menschen verlasst?«, fragte ich.
    Oberon legte den Kopf schräg. Im Licht der Fackeln sah er plötzlich alt aus. Jahrhundertealt. »Wieso kommst du darauf, dass wir jene, die wir lieben, je verlassen?«
    »Weil ich in einem Haus aufgewachsen bin, in dem sich Künstler die Klinke in die Hand gaben. Ich habe viele Geschichten über jene gehört, die verrückt wurden – wie Van Gogh -, und ich habe Menschen gesehen , die erst mit so viel Leidenschaft brannten, dass sie zu glühen schienen … bis dieses Glühen erlosch. Wieso sprang Ray Johnson von der Brücke bei Sag Harbor? Wieso starb Santé Leone an einer Überdosis Heroin? Warum hat Zach Reese seit zwanzig Jahren nicht mehr gemalt?«
    »Du hast Recht«, sagte er. »Manchmal ist unsere Berührung zu viel für sie. Das Feuer brennt zu hell und lässt nur noch eine Ruine zurück. Manchmal zieht ein unachtsamer Unirdischer so unversehens weiter, dass der Mensch sein Leben lang nach dem Licht sucht,

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