Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
Vom Netzwerk:
ich vollständig miteinbezogen werde. Das hier läuft schon zu lange.«
    Ingersoll nimmt einen kleinen Beutel aus seiner Tasche und kniet zu Randys Füßen nieder. Er drückt das Gesicht gegen ein Rinderstück, das rechts von ihm hängt, und lässt das Kältegefühl auf der Stirn auf sich einwirken. Dann öffnet Ingersoll den Beutel und kippt ihn auf den Boden aus.
    Kleine Knochen – die meisten nicht größer als Murmeln, manche wie lange Zähne – kullern heraus. Es sind Handknochen: Handwurzelknochen wie Kies in einer Auffahrt, Mittelhandknochen wie Legosteine, Fingerknochen wie Hundeleckerlis oder Spitzen von Regenschirmen. Alle hell, gebleicht, sauber.
    Ingersoll berührt sie nicht. Sein eigener Finger schwebt über ihnen, als folgte er dem Text eines Kinderbuches oder einer Bibelseite. Er nickt und murmelt, als wolle er etwas bestätigen. Für alle anderen ist es unverständlich, aber für ihnliegt es glasklar zutage, nicht weniger offensichtlich als die großen, weißen, flauschigen Buchstaben einer in den Himmel geschriebenen Nachricht.
    »Gut«, sagt er, offenbar zufrieden. Er sammelt die Knochen auf und steckt sie wieder in den Beutel. Er küsst den Beutel, wie er vielleicht seine Mutter küssen würde.
    Er steht wieder auf und blickt in Randys rote, wunde Augen.
    »Du kaufst nicht mehr bei uns«, sagt Ingersoll. Er leckt sich über die Lippen und schüttelt den Kopf. »Das ist schade. Ich bin immer davon ausgegangen, dass wir ein zuverlässiges Produkt zu einem vernünftigen Preis anbieten. Aber du kannst dich noch retten, weißt du. Du wirst mir alles, was du über den neuen Lieferanten weißt, ins Ohr flüstern. Falls ich zufrieden bin, falls du mir erzählst, was ich wissen will, werde ich dein Leben verschonen und stattdessen nur eine deiner Hände nehmen. Haben wir uns verstanden?«
    Hinter seiner eigenen blutverkrusteten Socke wimmert Randy und nickt.
    Ingersoll lächelt, zupft die Socke mit seinem zierlichen Daumen und Zeigefinger heraus und hält sein eigenes Ohr dicht an Randys Mund.
    »Rede«, sagt Ingersoll, und Randy plaudert alles aus.
    Draußen vor dem Kühlhaus trocknet Ingersoll sich ab.
    Die weißen Handtücher, die ihm von Harriet gereicht werden, färben sich schnell rot.
    Ingersoll übergibt ihr eine Plastiktüte. Darin befinden sich zwei an den Handgelenken abgetrennte Hände.
    »Koche sie, bis das Fleisch abfällt«, sagt Ingersoll. »Wie Ossobuco. Sobald die Knochen vom Fleisch befreit sind, bleichst du sie. Läuterst sie mit Salbeirauch. Danach gibst du sie mir. Ich werde entscheiden, welche gegebenenfalls in meinen Beutel gehören.«
    Harriet nickt, nimmt die Tüte. Frankie sieht aus, als würde er schon die Galle schmecken.
    »Du!«, sagt Ingersoll, indem er Frankie die Fingerspitze aufs Brustbein drückt. Der Finger ist dünn, zierlich, wie ein Insektenbein, aber trotzdem hat Frankie das Gefühl, als könnte er ihm das Brustbein durchbohren und sein Herz durchstechen. »Du entsorgst die Leiche!«
    Frankie schluckt einen harten Klumpen, vielleicht Kotze, hinunter und nickt.
    »Jetzt wissen wir, wo Ashley Gaines wohnt«, sagt Ingersoll.
    Aber er weiß jetzt, dass Gaines nur der zweite Preis ist.
    Das Mädchen. Sie ist diejenige, die er will. Er greift in die Tasche seiner weißen Jacke und streicht mit der Hand sanft über den Einband von Miriams Tagebuch.
    Er hat ein paar Fragen, die er ihr sehr gerne stellen würde.
ZWISCHENSPIEL
    Das Interview
    Es dauert eine Zeitlang, ehe Miriam wieder spricht. Paul wartet still, zögernd, nachdenklich, als ob jede Bewegung von ihm alles zertrümmern, den fransigen Faden, der das Schwert hält, das über ihrem Kopf baumelt, zerreißen könnte.
    »Ich wurde schwanger«, sagt sie schließlich.
    Paul sieht sie überrascht an. »Wem sein Kind war es?«
    »Wessen Kind, eigentlich. Du bist College-Schüler, lern ordentlich Grammatik. Bens Kind.«
    »Bens?« Er wirkt verwirrt.
    »Ja. Ben. Der, mit dem ich Sex hatte? Der sich erschossen hat? Entschuldige, habe ich diese Geschichte gerade jemand anderem erzählt? Ich gebe zu, ich verzettele mich manchmal.«
    »Nein, tut mir leid, ich dachte nur, er ist doch tot, wie konnte er da ...«
    Miriam prustet. An dieser Stelle ist sie zu drei Vierteln betrunken. »Wir reden nicht von Zombie-Sex; er ist nicht aus dem Grab getorkelt gekommen, um meinen lebendigen Körper mit seinem untoten Samen zu füllen. Wir hatten ein Mal Sex, und dieses eine Mal führte zu einer Schwangerschaft. Das ist der Kreislauf des

Weitere Kostenlose Bücher