Blackbirds
ist faszinierend, aber ...«
Die Amseln und Krähen fliegen auf. Sie kreischen und zetern. Flügel schlagen; alles, was sie vor Augen hat, sind dunkle, flatternde Flügel. Klauen krallen sich in ihre Augen, reißen sie heraus ...
DREIUNDZWANZIG
Was das Schicksal will
Es ist mal wieder so ein Morgen. Der Himmel ist nur eine vaselinartige Schmiere aus formlosen Wolken – eine helle, fettige Lage Grau. Sieht nicht nach Regen aus. Sieht nicht nach Sonne aus. Sieht nach gar nicht viel aus.
Miriam dröhnt der Kopf.
Ast. Schlechte Träume. Eine Scheißkombination.
Der Riss quer über ihrer Stirn tut weh, aber die Schnittwunde, wo die Pistole sie gekratzt hat, nimmt den Wettbewerb nicht auf die leichte Schulter; sie nagt, wie ein hungriger Wurm, und Miriams Gesicht ist der Apfel.
Außerdem pocht ihr Steißbein immer noch.
Und am allerschlimmsten: Sie hat keine Zigaretten. Die waren in ihrer Tasche. Einer Tasche, die jetzt Gott weiß wo ist. Wahrscheinlich in den Händen dieser entsetzlichen Bulldogge von Frau.
Seufzend lässt sie den Kopf gegen die Tür hinter sich knallen.
Es war nicht als Klopfen gedacht, aber so kommt es nun mal rüber. Von drinnen hört sie schlurfende Schritte. Louis macht die Tür auf und ist offensichtlich überrascht, so kurz nach dem gräulich-grauen Morgengrauen ein ramponiertes Mädchen vor seinem Motelzimmer sitzen zu sehen.
»Morgen«, krächzt sie. Schon dieses eine Wort zu sagen tut ihrem Körper weh.
»O mein Gott!«, sagt er. Sie kann es in seinem Gesicht sehen: ein sehr echter Ausdruck des Schmerzes, Schmerz, der möglicherweise schlimmer ist als das, was sie gerade durchmacht. Seine großen Hände greifen hinter sie, er hebt sie sanft an und hilft ihr so, aufzustehen. Sie ist wacklig auf den Beinen, und für einen Moment ist sie sich nicht sicher, ob sie es schaffen wird – aber sie kämpft den Schwindel nieder und holt tief Luft.
»Tut mir leid. Ich wollte eigentlich Donuts mitbringen.«
»Was ist passiert?«
Sie zieht ernsthaft in Erwägung, ihm die Wahrheit zu sagen. Etwas in ihr drin will aus ihr rausspritzen, wie ein wunder, roter Pickel, der aufplatzt. Schwärender Eiter. Plopp . Miriam will Louis alles erzählen: alles über ihre seltsame Fähigkeit; wie sie dazu gekommen ist; wie sie ihn einen Tod hat sterben sehen, der viel zu früh kommt; wieso Ashley nicht ihr Bruder ist; wie sie wegen eines Metallkoffers, der bis zum Rand mit Crystal-Meth-Tütchen gefüllt ist, beinahe getötet worden wären – jedes letzte schreckliche Körnchen Wahrheit.
Aber sie tut es nicht.
Sie überzeugt sich selbst davon, dass es ihn nur verletzen würde. Es wäre egoistisch. Er verdient es nicht, dass ihm das aufgebürdet wird ( verdient es nicht, für deine Sünden gekreuzigt zu werden ), und es ist ja nicht so, als würde er ihr das alles überhaupt glauben. Sie hat schon so viel gelogen.
»Der Freund.« Lüg einfach weiter. Mach einfach so weiter . »Er hat mich gefunden. Ich hatte nicht gedacht, dass er das könnte, aber er ist eben ein echt intelligentes Arschloch. Er hat rausgefunden, wo ich war, und ...«
Sie zeigt ihm ihr blutverkrustetes Gesicht, so wie die Tante vom Glücksrad einen Buchstaben präsentiert.
»Ta-da!«
Louis klappt den Mund zu. Es klingt, als schnappe eine Bärenfalle zu.
»Dieser Hurensohn.«
»Das geht schon in Ordnung. Ich hab’s ihm schlimmer besorgt als er mir. Ich hab sie – ’tschuldige, ich meine, ihn, ich glaube, ich hab mir ganz schön den Kopf angeschlagen – ich hab’ ihn mit einem Butterfly-Messer ins Bein gestochen.«
Das scheint ihn tatsächlich zufriedenzustellen, und sie liebt ihn dafür.
»Na ja, er hat’s verdient. Was ist mit deinem Bruder?«
Miriam winkt ab. »Ein wertloser Haufen Scheiße. Hat sich mit dem Freund zusammengetan. Ich bin mit beiden fertig.«
»Gut für dich. Komm jetzt rein, damit ich dich waschen kann.«
»Ich weiß. Ein blaues Auge, das aber schon besser geworden ist. Blutiger Kopf. Zerschnittene Wange. Ich bin echt America’s Next Top Model, oder?«
Der Wasserhahn läuft. Louis wischt mit einem lauwarmen, nassen Waschlappen über ihre Stirn. Sie ist überrascht, wie sanft er dabei ist. Er ist so riesig. Diese Hände könnten ihr den Schädel zerquetschen, als wäre er eine Tomate auf einem Steakteller, und doch sind seine Berührungen sanft und umsichtig – beinahe zärtlich, wie die eines Malers. Das ist so etwas wie Kunst für ihn.
»Du bist nicht grade übel darin«, sagt sie.
»Ich
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