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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
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zu Abend essen, ihr zum tausendsten Mal erklären, wieso ich mich entschieden habe, auf ein College zu gehen, das näher bei Papas Haus liegt, auch wenn es nur ein bisschen näher ist, so um die zehn Meilen.«
    »Klingt nach Spaß«, sagt Miriam.
    »Nicht wirklich. Machen wir morgen hiermit weiter?«
    »Morgen«, lügt sie. »Dieselbe Zeit, dasselbe Programm.«
    Paul schaltet den Rekorder aus und steckt ihn ein. Er winkt ihr zu, dann ein unbeholfenes Händeschütteln, und dann lässt er Miriam allein.
    Sie wartet. Nicht lange. Dreißig Sekunden vielleicht.
    Dann folgt sie ihm nach draußen.
FÜNFUNDZWANZIG
    Schaufenstermedium
    Der ganze Fleischkloß verschwindet in ihrem Mund.
    »Ich bin immer noch verblüfft«, sagt Louis, der ihr mit einem Ausdruck im Gesicht zusieht, als würde er mitansehen, wie eine boa constrictor die Nachbarskatze verschlingt.
    Um pralle Hamsterbacken herum fragt Miriam: »Waf?«
    »Wie du isst. Ich habe es inzwischen schon oft gesehen, aber jedes Mal ist es eine einzigartige Erfahrung.«
    »Mm«, murmelt sie, während sie den Fleischballklumpen durch die Speiseröhre zwingt. »Ist nichts verkehrt an einem Mädchen, das sich an einem knallharten Teller Spaghetti erfreut, Sir.«
    Louis schaut sie erstaunt an. »Außer dass wir zehn Uhr morgens haben.«
    »Ich kann nichts dafür, dass dieses Diner die ganze Karte den ganzen Tag lang anbietet.«
    »Wie schaffst du es, so dünn zu bleiben?«
    Sie grinst, langt über den Tisch und nimmt seine Hand. »Auf der Suche nach Schönheitstipps?«
    Er zieht die Hand nicht weg, aber er scheint sich auch nicht wohl dabei zu fühlen. Seit jener Nacht im Motel ist er unsicher. Er ist immer in ihrer Nähe. Er will sie. Aber er fürchtet sich vor etwas. Vielleicht, grübelt sie, ist ja aber auch sie diejenige, die sich fürchtet? Und er spürt es bloß?
    Sie haben es noch nicht gemacht. Die Tat. Den horizontalen Mambo. Den King Kong, der das Empire State Buildingbesteigt. Miriam weißt nicht genau, wieso nicht. Sie hat ihm doch schon einmal fast das Hirn rausgebumst. Wieso nicht jetzt? Das ist halt ihre Art. So macht sie es eben.
    Louis ist anders. Oder vielleicht ist sie anders. Jedes Mal, wenn es ihr in den Sinn kommt, verdrängt sie es wieder. Sie hat Angst, dass eine Untersuchung des Experiments es irgendwie ruinieren wird. Als ob das irgendeinen Sinn ergäbe!
    »Ich habe den Metabolismus eines mit Kokain zugedröhnten Hasen«, erklärt sie. »War schon immer so. Ich kann essen, was ich will, wann ich will, und mein Körper verbrennt es wie Zunder.«
    »Manche Frauen würden töten, um wie du zu sein.«
    »Manche Frauen sind dumme Esel.«
    Er lacht. »Stimmt auch wieder.«
    Und genau das ist ein Moment, den sie genießt, ein Moment, wert, ihn zu umarmen. Die meisten Männer in ihrem Leben – Teufel auch, die meisten Irgendwer in ihrem Leben – würden eine streitlustige Ansicht wie ihre abtun und ihr dann die eigene vor die Füße werfen. Und so würde sich ein gehässiges Badminton-Match ergeben, und die scharf formulierten Bemerkungen würden hin und her flitzen wie ein Federball, der schließlich in jemandes Auge landet. Louis dagegen akzeptiert die Ansicht. Er lächelt. Er lacht. Er führt ihr keine Energie zu. Er hat so eine Art beschwichtigendes Tai-Chi, irgendeine zenmeisterartige Kraft, die ihre aggressive Stimmung umleitet – und als Folge davon wächst diese Stimmung sich nicht zu einer fieseren Bestie aus, sondern verpufft zu nichts als heißer Luft.
    Miriam widersteht dem Drang zu rülpsen, indem sie ihn hinter einer Faust unterdrückt. Sie schiebt den Teller beiseite und grinst. »Und, wo geht’s als Nächstes hin, Big Daddy? Und wo wir gerade dabei sind, wo zum Teufel sind wir überhaupt? Ich kann nicht wirklich behaupten, dass ich aufgepasst hätte.«
    Sie sind jetzt seit einer Woche und einem Tag unterwegs. Eine Fuhre von North Carolina nach Maryland (Farbdosen), eine Fuhre von Maryland nach Delaware (Schickimicki-Möbel) und jetzt eine Fuhre von Delaware (wieder Farbe) nach irgendwo in ... Ohio? Das hier muss Ohio sein. Flach. Öd. Bäume. Highway. Bläääh.
    »Blanchester, Ohio«, sagt er, während er eine Faltkarte rausholt und sie auf dem Tisch ausbreitet. Er zeigt auf die Karte. »Vielleicht vierzig, fünfzig Meilen von Cincinnati weg.«
    »Blaaaanchester«, spricht sie das Wort nach, wobei sie es wie ein Zombie mit einem Mund voll gerinnender Gehirnmasse dehnt, und rapt: »Direkt aus Blanchester, irrer Emmer-effer namens Chester

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