Blackmail: Thriller (German Edition)
paar Meilen südlich von Natchez zweigt die Kings Road vom Highway 61 ab und schlängelt sich durch eine Hügellandschaft, die vor anderthalb Jahrhunderten aus blühenden Baumwollplantagen bestand, bevölkert von Hunderten Sklaven. Die Beau Pré Road führt in Serpentinen von der Kingston Road weg, gesäumt von einstöckigen Häusern und Aluminiumwohnwagen. In vielen Vorgärten stehen Anglerboote auf Anhängern oder Schrottwagen. Die Häuser stehen weit auseinander; auf dem verwilderten Land zwischen den Grundstücken befinden sich kleine Teiche, Anbauten und Hundezwinger. Es ist vollkommen dunkel, als ich die letzte Kurve vor dem Haus von Sonny Cross umrunde. Nach dem, was der Drogenfahnder mir bei unserem kurzen Gespräch gesagt hat, hört es sich an, als hätte er den Heiligen Gral dieses Falles entdeckt. Vielleicht kann er beweisen, dass Kate von Cyrus White ermordet wurde! Ich blinzle in die Dunkelheit auf der Suche nach den Hausnummern und entdecke drei goldene Ziffern an der Seite eines Mobilheims.
Zwei sieben eins.
Ich nehme den Fuß vom Gas. Eine einsame Veranda erscheint unter den Bäumen zur Linken. Dann erfasst das Licht meiner Scheinwerfer eine gefurchte, unbefestigte Auffahrt, die nach links von der Beau Pré Road abzweigt. Ich biege in die Auffahrt ein. Ein gelbes Rechteck aus Licht erscheint unter dem Dach der Veranda. Die schwarze Silhouette eines Mannes tritt hindurch, und der orange glühende Punkt einer Zigarette tanzt mir einen Meter achtzig über dem Boden entgegen. Als ich den glühenden Punkt erreiche, halte ich an, stelle den Motor ab und steige aus.
Sonny Cross nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette, und das orangefarbene Leuchten erhellt sein hageres Gesicht und glitzert auf einem silbernen Ohrstecker in seinem linken Ohr. Trotz der Müdigkeit in seinem Gesicht sehe ich die Aufregung in seinen Augen.
»Wie viel wollen Sie wissen?«, fragt er.
»Alles.«
»Seien Sie sich nicht so sicher, Bruder. Oder mögen Sie Dirty Harry? «
»Erzählen Sie mir alles, Sonny.«
Ein weiterer tiefer Zug. Rauch treibt in die Nacht, während er spricht. »Ich war verdammt aufgebracht heute Nachmittag. Sie haben es gesehen, als wir miteinander geredet haben. Ich konnte nicht mehr einfach nur rumsitzen und warten, bis wieder irgendwas passiert.«
»Was haben Sie getan?« Vor Nervosität wird mir die Kehle eng.
»Ich habe beschlossen, mich ein wenig mit Marko Bakic zu unterhalten. Ich hab ihn vor dem Haus der Wilsons aufgegabelt, war ganz einfach. Dann hab ich ihn nach … äh, zu einem ungenannten Ort mitgenommen, wo wir einen offenen und ehrlichen Meinungsaustausch hatten.«
»Einen freiwilligen Meinungsaustausch?«
Sonny kichert leise. »Kann sein, dass ein wenig Druck dahinter war.«
»Mein Gott, Sonny, was haben Sie mit dem Jungen gemacht?«
»Ich hab ihm nur ein paar Fragen gestellt. Doch der junge Master Bakic bekundete eine gewisse Unwilligkeit zu kooperieren. Diese Unwilligkeit hat er mit einer Reihe sorgsam gewählter sarkastischer Kommentare unterstrichen. Er schien alles in allem recht zufrieden mit sich selbst zu sein. Also hab ich ihm meine Kanone in den Hals gesteckt.«
Ich schüttele ungläubig den Kopf.
»Um die Wahrheit zu sagen«, sinniert Sonny, »selbst das schien ihm nicht viel auszumachen. Ich glaube, dieser Junge hat drüben in Bosnien eine Menge Scheiße gesehen, und Waffen allein machen ihm keine Angst. Er hat wohl nicht geglaubt, dass ich sie wirklich benutzen würde.«
»Sie haben sie nicht benutzt, oder?«
Cross schüttelt langsam den Kopf. »Nein. Aber ich habe ihn überzeugt, dass ich es tun würde.«
»Wie haben Sie das angestellt, Sonny?«
Ein unbedachtes Grinsen. »Manche Dinge behalten wir unter dem Mantel des Schweigens, mein Sohn.«
»Kam daher das seltsame Geräusch, das ich am Handy gehört habe? Haben Sie Marko Bakic gefoltert?«
»Nein. Das war jemand anders.«
»Wer?«
»Einer von Cyrus Whites Leuten.«
Ich würde mich gerne mit Sonny hinsetzen und ein ernstes Gespräch über die Vorzüge unserer Verfassung führen, doch im Moment habe ich andere Prioritäten. »Schluss mit dem Vorgeplänkel, Sonny. Erzählen Sie mir, was Sie herausgefunden haben.«
»Marko ist im Grunde der Wasserträger von Cyrus. Er hat sich für das Schüler-Austauschprogramm angemeldet in der Hoffnung, nach New York, L. A. oder Miami zu kommen. Stattdessen kam er nach Natchez, Mississippi. Stellen Sie sich sein Entsetzen vor. Marko hat sich als den nächsten Scarface
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