Blackmail: Thriller (German Edition)
über das Spielfeld und die Aschenbahn geschickt, aber niemand hat die Pistole gefunden, von der Sie mir erzählt haben.«
Ich bleibe stehen und schaue ihn an, suche nach einer verborgenen Anspielung in seinem Gesicht. »Haben die Handwerker, die ich Ihnen geschickt habe, den Schalterkasten wieder repariert?«
»Jepp. Ist so gut wie neu.« Wade lehnt sich im Stuhl zurück und legt die Füße auf den Schreibtisch. »Mann, diese Kugeln haben das Innere des Kastens total zerfetzt! Gut, dass Sie niemanden getroffen haben.«
Ich erstarre. »Ich habe nie gesagt, dass ich auf den Kasten geschossen habe.«
Er sieht mich ausdruckslos an. »Das glaube ich Ihnen. Ich hatte auch nur angenommen …«
»Was?«
»Dass Sie unten waren und Wild angestrahlt haben oder so. Dass Sie vom Jagdcamp rübergekommen sind. Weiß nicht. Ich hab nichts Besonderes damit sagen wollen.«
Ich mustere weiterhin sein Gesicht, suche nach Rissen in seiner Fassade. »So ungefähr ist es auch gewesen. Nochmals danke für die Mühe, Wade.«
»Kein Problem, Penn. Seien Sie vorsichtig. In dieser Stadt passiert im Augenblick ’ne Menge Mist.«
»Bin ich.«
26
M it sieben Stockwerken ist das Eola Hotel das größte Gebäude in Natchez. Errichtet im Jahr 1927, dem Jahr der großen Mississippi-Flut, hat das Eola es bis ins »Nationale Verzeichnis historischer Stätten« geschafft. Als ich ein kleiner Junge war, in den 1960ern, war die Halle des Eola ein geschäftiger Ort, wo alte Männer Schach spielten und Zigarren rauchten, während Familien frisch vom Kirchenbesuch durch die abgestandene Luft spaziert kamen, um im Hotelrestaurant zu Mittag zu essen. Damals bedienten uniformierte Schwarze die Aufzüge und hielten die Toiletten sauber, während Yankees wie Dan Rather und seine CBS-Nachrichtencrew oder New Yorker Zeitungsjournalisten im Café standen und maskierte Ku-Klux-Klan-Leute zu Pferde beobachteten, die draußen die Hauptstraße hinunterritten. Quentin Avery erinnert sich viel besser an jene Zeit als ich, und heute wird er die Verteidigung von Drew Elliott aus der Penthouse-Suite eines Hotels leiten, das ihm nicht einmal Zutritt gewährt hätte, als er ein dreißig Jahre alter Anwalt war.
Heute bediene ich den Aufzug selbst, um nach oben in den siebten Stock zu fahren. Als sich die Tür öffnet, erblicke ich zwei junge Weiße, die Computerausrüstung zwischen verschiedenen Zimmern hin und her tragen. Sie erwecken den gehetzten Eindruck junger Anwälte. Ich nicke ihnen zu und gehe durch zum Empfangsraum von Quentins Suite. Die Tür wird von einem schweren Gesetzesbuch offen gehalten. Ich klopfe und trete ein.
Die Suite ist riesig: drei getrennte Zimmer und zwei Bäder, alles eingerichtet mit besessener Aufmerksamkeit für Details. Quentin steht auf dem langen Balkon, von dem aus man einen Panoramablick über Natchez, den Mississippi und das Louisiana Delta hat, das sich meilenweit nach Westen erstreckt. Er trägt Jeans und ein weißes Button-Down-Hemd. Von hintenverleiht ihm sein grau-weißer Afrolook das Aussehen eines weit jüngeren Mannes.
»Quentin?«, rufe ich. »Ich bin es, Penn Cage.«
Avery dreht sich um und lächelt, und obwohl ich seinem Gesicht jedes seiner mehr als siebzig Jahre ansehen kann, verrät mir das Leuchten in seinen Augen, dass er aufgeregt ist, weil er wieder einen Fall hat.
»Was haben Sie zu berichten?«, fragt er. »Irgendetwas Neues?«
»Ich habe heute Morgen mit Chief Logan gesprochen. Marko Bakic ist verschwunden. Ebenso Cyrus White.«
Quentins Grinsen wird breiter. »Gut, gut. Das ist genau das, was wir mögen.«
»Wieso?«
»Das müssen Sie mich fragen? Kommen Sie raus zu mir in die Sonne. Vielleicht hilft das Ihrem Gehirn auf die Sprünge.«
Ich trete auf den Balkon hinaus. Vom rostbraunen Fluss her weht eine kühle Brise. Das Wasser ist hoch für diese Jahreszeit. »Sagen Sie es mir.«
»Das ist ein Mordprozess, Penn. Unser Ziel lautet Freispruch. Um das zu erreichen, brauchen wir eine einzige Sache: berechtigten Zweifel.«
»Und?«
»Cyrus White ist unser berechtigter Zweifel. Genau so, wie er jetzt ist. Wenn ich die Zeit steuern und den Prozess auf der Stelle anfangen lassen könnte, würde ich nicht eine Sekunde zögern. Keine Jury der Welt kann Drew Elliott des Mordes für schuldig befinden, solange eine Spermaprobe aus dem toten Mädchen nicht identifiziert und Cyrus White wie vom Erdboden verschluckt ist. Nicht, solange wir beweisen können, dass Kate und Cyrus White sich kannten.«
»Ich
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