Blackmail: Thriller (German Edition)
ich rede nicht von den teuren Privatschulen. In Natchez bezahlst du dich schwarz, um eine durchschnittliche Ausbildung für dein Kind zu bekommen. Ich rede von Städten, wo das öffentliche Schulsystem tatsächlich funktioniert, wo es keine künstlich herbeigeführte Rassentrennung durch hohe Schulgebühren gibt.«
»Und wo genau soll das sein?«
Sie schließt die Augen und seufzt. »Es sind nicht nur die Schulen, Penn. Es sind auch die außerschulischen Möglichkeiten. Und was ist mit Vielfalt? Hier in Natchez sind die Kinder entweder schwarz oder weiß. Es gibt keine andere demographische Gruppe von Bedeutung. Ein paar Indianer, ein paar Mexikaner, ein oder zwei Asiaten. Mehr nicht.«
»Du möchtest ehrlich sein?«, frage ich. »Okay. Ist Annies Ausbildung wirklich deine größte Sorge hier in Natchez?«
Auf ihren Wangen erscheinen zwei rosige Flecken. »Ich mache mir Sorgen deswegen, ja. Aber ich habe auch meine eigenen Sorgen, das gebe ich gerne zu. Ich mag diese Stadt, Penn, aber ich sehe auch, was wir verpassen, indem wir hier leben. Es gibt keine anständigen Galerien oder Museen, keine …«
»Verbringst du deine Zeit in Boston mit dem Besuch von Museen und Kunstausstellungen? Meinst du nicht eher Clubs und Restaurants?«
»Das ist nicht fair!«, protestiert sie und sieht mich verletzt an. »Aber jetzt, wo du das Thema ansprichst – es gibt nicht mal einen Olive Garden oder ein Appleby’s in Natchez, Herrgott noch mal! Von richtig exotischer Küche ganz zu schweigen. Es gibt ein Kino mit vier Sälen, und ich glaube nicht, dass ich dort jemals einen künstlerischen Film gesehen habe.«
Sie hat recht, doch das macht mich nicht froh. »Caitlin, dusprichst über Boston, als wäre es der beste Ort der Welt, jenseits von allem, was die Menschen hier erreichen können. Nun, Drew Elliott, unser Mordverdächtiger und Kleinstadtdoktor, hat gerade erst die Zulassungsprüfungen des Staates Massachusetts abgelegt, und er war bei den besten fünf Prozent. Also tu nicht so, als würdest du ans Ende der Welt kommen, um die Segnungen städtischer Erleuchtung zu predigen.«
Caitlin sieht mich aus aufgerissenen Augen an. Sie begreift, dass Drew vorhatte, mit Kate nach Norden zu gehen, sobald sie in Harvard angefangen hätte. Doch sie verliert kein weiteres Wort darüber. »Drew ist eine Ausnahme«, sagt sie. »Genau wie du.«
»Bin ich das?«
»Das weißt du selbst, Penn. Du bist nicht wie die anderen Leute hier. Nicht mehr jedenfalls. Die Ironie ist, du kannst deine Arbeit hier machen und trotzdem mit der Welt da draußen in Verbindung bleiben. Ich kann das nicht. Wenn ich in meinem Job ganz oben bleiben will, muss ich in einer Großstadt arbeiten. Nicht unbedingt in Boston, aber in irgendeiner großen Stadt. Penn, die schlichte Wahrheit lautet, dass du nicht so viel aufgeben müsstest wie ich, wenn ich hier in Natchez leben würde.«
Endlich kommen wir zur Sache. »Du hast recht«, gebe ich zu. »Ich weiß.«
»Möchtest du, dass ich nicht mehr arbeite?« In ihrer Stimme schwingt ein herausfordernder Unterton mit.
»Nein. Nicht, wenn ich nüchtern darüber nachdenke. Aber wenn du mich fragst, was mein Herz möchte – ich möchte, dass du öfter bei uns bist. Am liebsten die ganze Zeit.«
Caitlin lächelt, doch ich erkenne Schmerz in ihren Augen. »Ich auch, Penn. Und das ist der Kernpunkt unseres Problems.«
»Wie das?«
Sie legt die Hände flach auf den Tisch und sieht mir tief in die Augen. »Ich weiß, dass du ernsthaft darüber nachdenkst,für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Wenn du das tust, Penn, und gewinnst, sind wir für mindestens vier weitere Jahre an diese Stadt gefesselt.«
»Und was hältst du davon?«
Sie nimmt einen Schluck Wein, zögert, den Blick auf die Kerze mitten auf dem Tisch gerichtet. »Ich fürchte, dass du diese Stadt zu deinem persönlichen Kreuzzug machen würdest. Du magst anderer Meinung sein – du glaubst vielleicht, dass du dich einfach nur zur Wahl stellst. Aber in Wirklichkeit bedeutet dieser Job, dass du Schiedsrichter spielen musst in einem ewigen Rassenkonflikt. Ich habe fast fünf Jahre lang darüber berichtet, was in Natchez passiert. Jede Abstimmung im Stadtrat wird von der Hautfarbe der Einwohner dieser Stadt beeinflusst. Jede einzelne. Und wenn Shad Johnson gewinnt, fallen sämtliche Entscheidungen zu Gunsten der schwarzen Seite, ohne Rücksicht darauf, was richtig, ethisch oder auch nur legal ist.«
»Aber wenn ich siege, wird es faire Entscheidungen
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