Blackmail: Thriller (German Edition)
noch nicht. »Ich meine, du kommst jetzt in das Alter, wo du zur Sache kommen musst, wenn du noch eigene Kinder möchtest.«
Sie schließt die Augen, und eine Träne kullert über ihre linke Wange.
»Bin ich verrückt?«, frage ich sie. »Sag es mir. Wie denkst du über das alles?«
Sie öffnet die Augen; dann ergreift sie über den Tisch hinweg meine Hand. »Ich liebe dich, Penn. Und ich liebe Annie.« Sie sieht aus, als wollte sie fortfahren, doch dann hält sie inne. Ich habe noch nie erlebt, dass sie um Worte verlegen war.
»Ich weiß, dass du uns liebst«, sage ich leise. »Aber du bist immer sehr lange Zeit weg. Du bist die Herausgeberin des Examiner, und trotzdem arbeitest du zweitausend Kilometer weitweg als Reporterin. Und nicht mal für eine der Zeitungen deines Vaters. Ich verstehe das nicht.«
»Ich weiß selbst nicht, ob ich es verstehe, Penn. Ich habe nie richtig darüber nachgedacht, aber vielleicht liegt es gerade daran, dass ich nicht für meinen Vater arbeite, dass ich diese Aufträge so sehr genieße.«
Der Ober kommt und serviert ihr eine exquisite angebräunte Krabbenpastete; dann kommt er zu mir und serviert mir das Gleiche.
Caitlin sieht ihn an. »Danke sehr.«
»Möchten Sie jetzt bestellen?«, fragt der Ober.
Wir haben immer noch keinen Blick in die Speisekarten geworfen.
»Ich nehme den Wels«, sagt Caitlin und zieht ihre Hand zurück.
»Ich die Ente«, sage ich.
»Sehr wohl. Haben Sie einen besonderen Wunsch als Beilage?«
»Überraschen Sie uns«, sagt Caitlin mit einem Lächeln.
»Sehr wohl, Ma’am.«
Als er gegangen ist, sagt sie: »Penn, ich nehme diese Aufträge an, weil ich diese Arbeit gerne mache. Ich bin mitten im Geschehen. Es ist eine große Story, und sie wollen mich. Es gefällt mir, dass sie mich wollen.«
»Das kann ich gut verstehen. Als ich noch Bezirksstaatsanwalt war, wussten nur wenige Leute, was ich wirklich getan habe, was ich geleistet habe, obwohl ich in einer großen Stadt gearbeitet habe. Doch nachdem ich Schriftsteller geworden war, bekam ich Rückmeldungen von Hunderten von Menschen, dann von Tausenden. Diese Art von Bestätigung ist etwas sehr Machtvolles.«
Sie nickt, als würde ich ihr aus der Seele sprechen.
»Aber du hast deinen Pulitzer für eine Serie gewonnen, die du hier in Natchez geschrieben hast, über Ereignisse, die hier stattgefunden haben.«
»Ich weiß. In Zeiten wie diesen ist Natchez ein großartiger Ort für meinen Beruf, so kalt und gefühllos das klingen mag. Aber fünfzig Wochen im Jahr gibt es hier nichts außer den Spielen der Little League und Ratssitzungen, die in einem Sumpf von Rassismus versinken, wie es ihn anderswo seit zwanzig Jahren nicht mehr gibt.«
Die Ablehnung in ihrer Stimme ist nicht zu überhören. »Ich glaube nicht, dass es so ist«, widerspreche ich ihr. »Rassismus ist überall ein Problem, auch heute noch. Hier tritt er nur offener zu Tage.«
»Lass uns nicht damit anfangen, okay?«, sagt Caitlin mit einem Anflug von Verärgerung, der mich überrascht. »Reden wir über Annie. Du hast gesagt, keine Beschönigungen, richtig?«
»Richtig.«
»Die Schulen hier sind ungeheuerlich, Penn. Die öffentlichen Schulen, meine ich. Sie haben die niedrigsten Ergebnisse bei den Eignungstests in den usa. Und fünfunddreißig Prozent der Schulabgänger machen den Test nicht mal.«
»Genau genommen sind die Testergebnisse in Washington D. C. noch schlechter«, korrigiere ich sie. »Aber das sind die Einzigen.«
»Hast du eine Ahnung, warum das so ist?«
»Ich weiß, warum es so ist.«
Caitlin klopft auf den Tisch, um ihre Argumente zu unterstreichen. »Mississippi ist der Staat mit den meisten Analphabeten in den Vereinigten Staaten. Es ist der Staat mit den meisten allein erziehenden Müttern. Und Natchez liegt in dieser Statistik an zweiter Stelle. Vergiss die politischen Implikationen. Überleg lieber, was das für Annie bedeutet!«
Ich will sie darauf hinweisen, dass Annie nicht auf eine öffentliche Schule geht – und dass sie einen allein erziehenden Vater hat –, doch Caitlin redet weiter, bevor ich etwas sagen kann. »Die St. Stephen’s leistet gute Arbeit, ich weiß. Kluge Köpfe wie Mia und Kate gehen immer noch an die Elite-Unis.Aber für die meisten Kinder ist die St. Stephen’s nicht mit dem zu vergleichen, was anderswo geboten wird.«
»Beispielsweise in Boston?«
Sie zuckt die Schultern. »Sicher. Boston, New York oder sogar Wilmington. Jede größere Stadt, Penn, das weißt du. Und
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