Blackmail: Thriller (German Edition)
zweiundvierzig Mini-DV-Überwachungsbänder an, die Sonny gedreht hatte. Es war ein langwieriger Prozess, doch schließlich fand ich zwei Bänder, die Kate beim Betreten und Verlassen des Hauses in Brightside Manor zeigten, in dem Cyrus wohnte. Das waren die Bänder, die ich für Quentin Avery beschaffen sollte, doch sie stellten mich nicht zufrieden. Ich wollte Cyrus in Person.
Als Nächstes las ich Sonnys Notizbücher durch, Zeile für Zeile. Sie enthielten detaillierte Schilderungen über die Drogenaktivitäten in Brightside Manor – und sonst wo in Natchez –, jedoch nichts, das mir helfen konnte, Cyrus White aufzuspüren, es sei denn, er hielt sich in einem der bekannten Schlupfwinkel versteckt. Und Chief Logan hatte mir versichert, dass all diese Verstecke regelmäßig von seinen Leuten kontrolliert würden. Aus Sonnys Notizen ging hervor, dass die meisten seiner Informationen von Drogenkonsumenten oder Kurieren stammten, die er hatte hochgehen lassen und dann gezwungen hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten, als Gegenleistung dafür, dass sie in Freiheit blieben. Mein Problem war, dass Sonny diese Informanten nur mit Decknamen erwähnte. Es schienen eigenartig willkürlich gewählte Namen zu sein, bis mir bewusst wurde, dass es sich ausnahmslos um Namen von Charakteren handelte, die John Wayne auf der großen Leinwand dargestellt hatte. »Rooster«, »Chance«, »Ethan«, »Cahill«, »Big Jake«, »Chisum« und »McQ«. So gut wie sämtliche Informationen, die Sonny über Cyrus White zusammengetragen hatte, stammten von diesem »Ethan«, doch ichkonnte nirgendwo in seinen Notizbüchern einen Hinweis auf die wirkliche Identität dieser Kontaktleute finden.
Ich legte die Notizbücher beiseite und durchsuchte die Dateien auf Sonnys Laptop. Nach fast einer Stunde landete ich einen Volltreffer. Eine verschlüsselte Datei. Sobald ich dessen sicher war, wählte ich die Nummer von Lucien Morses Handy. Mia hatte mir verraten, dass der Hacker die ganze Nacht über wach blieb, und tatsächlich, sie hatte recht. Obwohl es inzwischen vier Uhr morgens war, antwortete Lucien mit hellwacher Stimme und erklärte sich sofort einverstanden, sich am nächsten Morgen mit mir im Eola zu treffen, um Sonnys Datei zu entschlüsseln. Er verlangte nichts weiter als noch einmal fünfhundert Dollar.
Nachdem ich mit Lucien gesprochen hatte, ging ich schlafen.
Als ich vier Stunden später aufwachte, rief ich Quentin im Eola an und informierte ihn über die Schießerei unten in der Hotelhalle, die er in der vergangenen Nacht verschlafen hatte. Er sagte, dass Doris irgendwann einmal wach geworden wäre, weil sie meinte, einen Schuss gehört zu haben, doch es war kein weiteres Geräusch gefolgt, und sie waren wieder eingeschlafen. Quentin kümmerte der Tod der Asiaten wenig, doch der Verlust von Cyrus’ drohenden E-Mails machte ihn rasend vor Wut. Er hatte dreißig Sekunden Euphorie genossen, nachdem ich ihm von der Existenz der E-Mails berichtet hatte – und dann das Desaster. Als ich versuchte, ihn zu besänftigen, indem ich ihm erzählte, ich hätte bereits eine Verfügung zur Beschlagnahme von Cyrus’ E-Mail-Aufzeichnungen aufgesetzt, lachte Quentin nur.
»Er benutzt diese Adresse, um sein Dope zu verteilen, Mann. Sie werden sie niemals finden. Er hat sie unter einem anderen Namen angelegt, jede Wette.«
»Dann müssen wir eben Cyrus’ Leute irgendwie überzeugen, dass es zu Cyrus’ eigenem Besten ist, wenn sie uns diese falsche Adresse geben.«
Quentin lachte noch lauter. »Das glauben sie uns nie im Leben. Die E-Mails auf diesem Konto würden Cyrus wegen seiner fortwährenden Verstöße gegen die Drogengesetze wahrscheinlich mindestens fünfhundert Jahre im Parchman-Knast einbringen. Die Aussichten, dass er wegen des Mordes an Kate angeklagt und verurteilt wird, sind hingegen gleich null. Cyrus kann die Zeitung lesen, da steht alles drin. Drew steht im Moment als der einzige mögliche Schuldige da. Überlassen Sie mir die Verteidigung, Penn. Ich habe das schon öfters gemacht.«
Nach dieser Unterhaltung fuhr Quentin zum County-Gefängnis, um Drew zu besuchen. Ich rief meinen Vater an und fragte ihn, ob er und Mom Annie für ein paar Tage zu sich nehmen könnten. Er war sofort einverstanden. Meine Eltern wollten noch am gleichen Abend nach New Orleans fahren.
Nachdem ich das alles geregelt hatte, fuhr ich zum Eola Hotel. Lucien Morse wartete bereits in der Lobby auf mich. Der Zehntklässler der St. Stephen’s war makellos
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