Blackmail: Thriller (German Edition)
Brightside Manor, das so verdammt wichtig sein könnte?«
»Einen Informanten, der weiß, wo Cyrus White sich versteckt.«
Etwas zupft an Quentins Mundwinkel, etwas wenig Liebenswürdiges. »Wie wär’s mit noch ’ner Flasche Bourbon?«
Ich gehe zur Minibar und hole eine weitere Flasche. Quentin trinkt langsamer diesmal, doch in seinen Augen funkelt immer noch Wut. »Ich kann Sie rein- und wieder rausschaffen, okay? Aber wenn ich das tue, weiß jeder schwarze Mann und jede schwarze Frau in diesem Ghetto, was ich getan habe. Und das wird mich einiges kosten, verstehen Sie? Es mag vielleicht nicht edelmütig klingen, aber es ist die Wahrheit.«
»Was wird es Sie kosten?«
»Fälle. Geld. Reputation.«
Die Fragen, die ich nicht gestellt habe an dem Tag, an dem ich Quentin in der Praxis meines Vaters kennen gelernt habe, verfolgen mich jetzt. Warum hatte er keine Bürgerrechtsfälle mehr geführt und sich stattdessen mit Schmerzensgeldprozessen und Sammelklagen beschäftigt? Doch inzwischen habe ich das Gefühl, als würde ich die Antwort bereits kennen.
»Was soll ich denn sonst tun, verdammt?«
»Ich sage nicht, dass ich es nicht mache. Ich sage nur, es wäre besser, wenn Sie einen anderen Weg finden könnten.«
»Beispielsweise?«
»Locken Sie den Kerl, den Sie haben wollen, von dort weg.«
»Wie denn das? Er hat eine Scheißangst.«
»Dann finden Sie jemand anderen, der Sie reinbringt.«
»Beispielsweise?«
Während Quentin über seinem Whiskey grübelt, steigt allmählich Wut in mir auf. Drews Leben steht auf dem Spiel, und dieser Anwalt macht sich Gedanken wegen irgendwelcher Schmerzensgeldprozesse in fünf Jahren von heute an? Ohne ein weiteres Wort stehe ich auf und gehe zur Tür der Suite.
»Wohin wollen Sie?«, fragt Quentin.
»Meine Arbeit machen. Und Sie sollten darüber nachdenken, ob Sie wirklich das Zeug haben, um Ihre zu tun.«
»Hey, fangen Sie nicht …«
Ich werfe die Tür krachend hinter mir zu und eile durch den Gang davon.
Die Brightside Manor Apartments stehen da wie eine sichtbare Rüge für jede liberale Phantasie, was staatlich subventionierte Wohnungen angeht. Die heruntergekommenen Häuser sehen aus wie Sets für eine Folge von Shaft aus den Siebzigerjahren – als könnte man hingehen und sie mit einem Stoß umwerfen. Neun große Schachteln am St. Catherine’s Creek, gruppiert um einen riesigen asphaltierten Parkplatz mit einer dersonderbarsten Sammlungen von Motorfahrzeugen in der gesamten Nation.
Wenigstens fünfzig Leute sitzen oder stehen in Sichtweite von mir. Die ältesten sitzen auf kleinen Veranden unter verbeulten Vordächern aus Blech. Die in mittlerem Alter stehen in Gruppen beieinander und lassen in Papiertüten gewickelte Flaschen kreisen. Die Frauen halten Babys. Ich sehe nirgendwo Teenager – es ist beinahe so, als wären sie ausnahmslos eingezogen worden, um in irgendeinem Krieg zu kämpfen –, doch ein paar Kleinkinder spielen ohne jede Aufsicht auf dem Parkplatz zwischen den Fahrzeugen. Drei von ihnen sind splitternackt.
»Wie lange ist er schon weg?«, fragt mein Vater.
Die Frage gilt James Ervin, einem schwarzen Police Officer im Ruhestand, den Dad seit den 1960ern behandelt, als er noch Amtsarzt für das Natchez Police Department war. Nachdem Dad einverstanden war, mir beim Betreten von Brightside Manor zu helfen, hat er James Ervin rekrutiert, den ersten Vorstoß in das Haus zu unternehmen, in dem Jaderious Huntley wohnt. Ervin hat bereitwillig zugesagt und außerdem seinen alten, klapprigen Pick-up als Fahrzeug für diese Mission zur Verfügung gestellt.
»Elf Minuten«, antworte ich.
Dad schnalzt mit der Zunge. »Das gefällt mir nicht.«
»Lass uns noch ein bisschen warten. Ervin klang unbesorgt, bevor er losgegangen ist.«
Dad nickt zögernd.
Als ich ihn aus der Lobby des Eola anrief, standen er und meine Mutter zusammen mit Annie kurz vor ihrer Abreise nach New Orleans. Er meinte, er wäre in den alten Tagen häufig in Brightside Manor gewesen. Mit den alten Tagen meint er jene Jahre, in denen er noch regelmäßig Hausbesuche gemacht hat. Damals trug er eine Taschenlampe und eine Pistole in seinem Arztkoffer. Heutzutage macht er nur noch selten Hausbesuche, doch er hat immer noch Patienten, die in Brightside Manor wohnen. Er begriff mein Zögern, uneingeladen dorthin zu fahren,doch er war zuversichtlich, dass wir es schaffen könnten, wenn er mitkäme. Ich war gerne bereit ihm zu glauben. Kein weißer Arzt in dieser Stadt hat im Lauf
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