Blackmail: Thriller (German Edition)
hätte ich die dümmste Frage auf Erden gestellt. »Ich möchte, dass du zum Bezirksstaatsanwalt gehst«, sagt sie mit spröder Stimme. »Ich möchte, dass du Drew aus dem Gefängnis holst. Du musst es dem Bezirksstaatsanwalt sagen, oder nicht? Jetzt, wo ich ein Geständnis abgelegt habe?«
Wenn es doch nur so einfach wäre. »War noch jemand in meinem Zimmer, als du reingekommen bist?«
»Deine Mutter hat am Bett gesessen und gelesen. Ich habe sie gebeten, mich mit dir allein zu lassen.«
»In Ordnung. Sie wartet wahrscheinlich immer noch draußen. Ich werde mit ihr reden, und dann möchte ich, dass dudraußen mit ihr wartest. Geht in die Cafeteria und holt euch etwas zu trinken.«
»Nicht nötig. Ich bin mit Jackie hier.«
»Ich möchte, dass deine Schwester nach Hause fährt, Ellen.«
Sie sieht mich erneut verwirrt an, doch dann scheint sie zu begreifen. »Okay. Ich sag’s ihr.«
»Sag meiner Mutter kein Wort von dem, was du mir gerade erzählt hast, Ellen.«
»Was hast du vor, Penn?«
»Ich will versuchen, Drew aus dem Gefängnis zu holen.«
Erleichterung glättet die Falten auf ihrem Gesicht. »Danke, Penn. Mein Gott … endlich ist es heraus. Ich hätte es nicht eine Minute länger allein auf meinen Schultern tragen können.«
Ich zwinge mich zu einem Lächeln und greife nach dem Telefonhörer neben meinem Bett.
Quentin Avery starrt mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Er hat sich soeben Ellens Geschichte angehört, und dann ist Ellen nach draußen gegangen, um sich wieder zu meiner Mutter in der Cafeteria zu gesellen. In meinen Augen ist es Totschlag gewesen, nicht Mord.
»Glauben Sie ihr diese Geschichte?«, fragt Quentin.
»Jedes Wort.«
Er nickt langsam. »Ich ebenfalls. Aber es macht nicht den geringsten Unterschied.«
»Was?«
»Es ändert überhaupt nichts.«
»Wie bitte?«
Quentin fährt sich mit beiden Händen durch den grauen Afro; dann blickt er auf mich herab wie ein geduldiger Jura-professor. »Drew Elliott wurde gerade erst wegen Mordes verurteilt. Ellen Elliott ist seine Ehefrau. Niemand wird in ihrer Geschichte irgendetwas anderes sehen als einen letzten, verzweifelten Versuch, ihren Mann vor der Todesstrafe zu retten.«
»Indem sie selbst riskiert, ins Gefängnis zu gehen?«
»Verdammt, ja!«, schnaubt Quentin frustriert. »Ich habe so etwas schon ein halbes Dutzend mal erlebt, mindestens. Mütter machen so etwas andauernd! Und jede Wette, dass auch Judge Minor es schon mehr als einmal erlebt hat.«
»Aber … es ist die Wahrheit, Quentin.«
Quentin sieht mich beinahe mitleidig an. »Sind Sie Anwalt, oder sind Sie Philosoph, Penn? Der Bezirksstaatsanwalt, dem Sie diese Geschichte vortragen müssen, ist niemand anders als Shad Johnson, der just in diesem Augenblick den größten Erfolg seiner Karriere feiert. Shad ist überzeugt, dass diese Verurteilung ihn direkt in den Sitz des Bürgermeisters katapultiert. Glauben Sie im Ernst, er wird auch nur einen Finger rühren, um dieses Urteil zu annullieren? Einen kapitalen Mord wegwerfen und Drew freilassen, um seine Frau wegen Totschlags zu belangen? Glauben Sie im Ernst, er wird Ihnen zuhören? «
»Dann gehen wir eben zu Judge Minor.«
»Wieso?« Quentin wirft die Hände hoch. »Sie haben mir selbst gesagt, dass er auf Shads Seite steht, und Sie hatten recht damit. Judge Minor hat den Staatsanwalt so unverhohlen bevorzugt, dass ich keinen Zweifel habe, was das Ergebnis der Eingabe angeht.« Quentin legt mir eine Hand auf die Schulter. »Vergessen Sie diesen Irrsinn, Penn. Drews beste Chance ist die Berufung.«
»Er ist unschuldig, Quentin. Und die Verkündung des Urteils steht noch bevor. Drew droht die Todesstrafe. Ellens Geschichte könnte zumindest genügend Zweifel bei den Geschworenen erwecken, um sie nicht für die Exekution stimmen zu lassen.«
Quentins Blick geht zu der Vase mit verwelkenden Blumen. Nach einer Minute sieht er mich wieder an, und sein Blick ist entschlossen. »All meine Erfahrung und meine Instinkte sagen mir, dass das ein Fehler wäre. Bei diesem Bezirksstaatsanwalt und diesem Richter hätten wir mit dieser Strategie verloren. Wir sollten Ellens Geschichte für die Berufung aufsparen.«
»Scheiß auf die Berufung!«, murmele ich. »Ich will eine neue Verhandlung!«
Quentins Augen werden finster. »Ich bin der Hauptverteidiger, Penn.«
»Das ist nicht Ihre Entscheidung. Die Entscheidung liegt bei Drew.«
Der alte Anwalt seufzt verärgert. »Wenn Sie ihn wirklich damit
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