Blackmail: Thriller (German Edition)
allgemeine Vorliebe für ältere Männer?
»Cyrus ist ein Veteran von Desert Storm. Ist es zu fassen?«, fährt Sonny fort. »Er war bei der Air Force. Ich versuche seit über einem Jahr, ihm was anzuhängen, ohne Erfolg. Er ist ’n richtiger Teflon-Nigger.«
Sonny gebraucht das N-Wort völlig unbewusst. Er gehört zu jenen Südstaatlern, die ihr Vokabular instinktiv der Gesellschaft anpassen, in der sie sich gerade befinden. In Gesellschaft von Weißen, die er kennt – und möglicherweise auch in Gegenwart von Verdächtigen, die er hochgehen lässt –, sagt Sonny ohne jede Vorsicht »Nigger«. Im Beisein von Fremden ist er politisch so korrekt wie jeder normale Bürger auch. Doch es steht außer Frage, welche Einstellung er gegenüber der Bevölkerungsgruppe besitzt, in der sich die häufigsten Zielpersonen seiner beruflichen Tätigkeit befinden. Genauso, wie es außer Frage steht, dass seine Vorurteile dazu beitragen, dass Afroamerikaner seine primären Zielpersonen sind und nicht die KateTownsends dieser Welt. Doch diese Vorurteile sind nichts Ungewöhnliches bei den reaktionären weißen Sheriff’s Detectives im Staat Mississippi. Sie wachsen und gedeihen im amerikanischen Justizsystem, den ganzen Weg hinauf bis nach Washington.
»Weiß Sheriff Byrd von Kates Verbindung zu Cyrus?«, frage ich Sonny.
Der Mann von der Drogenfahndung antwortet eine ganze Weile nicht. »Es ist nicht so, dass ich Sheriff Byrd nicht vertraue, Penn«, sagt er schließlich. »Ich mag es einfach nur nicht, wenn er sich in meine Fälle einmischt, bis er irgendwas verdirbt. Er kann ein sehr störender Einfluss sein.«
»Ich verstehe, Sonny. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir das alles erzählen. Wenn Sie noch irgendetwas über Kate in Erfahrung bringen, egal was, lassen Sie es mich bitte wissen.«
»Mach ich. Abgesehen davon tue ich alles, was ich kann, um Dr. Elliott zu helfen.«
Ich beende das Gespräch, während mein Verstand mit den neuen Informationen kämpft. Wie gut kannte Drew Kate wirklich? Hat er in ihr die lilienweiße amerikanische Bilderbuchunschuld gesehen, wie Sonny sie genannt hat? Oder wusste er von ihrer Schattenseite? Falls nicht, könnte dieser verborgene Teil ihres Lebens den Schlüssel zu der zweiten Spermaprobe enthalten, die in Kates Leichnam gefunden wurde, und damit den Schlüssel zu Drews Freiheit.
Es ist diese Frage, die mich beschäftigt, als ich im verblassenden Licht der Abenddämmerung in meinem Esszimmer zusammen mit Annie am Tisch sitze. Annie macht ihre Hausaufgaben und stellt mir hin und wieder eine Frage, mehr aus Langeweile als aus dem Bedürfnis meiner Hilfe heraus. Ich sollte eigentlich an meinem neuen Roman arbeiten, doch ich beschäftige mich damit, die geheimen Fäden von Drews und Kates Leben auseinanderzubröseln. Die Informationen, die ich über Cyrus White und Kate erhalten habe, haben meine Perspektive für Drews Lage völlig verändert.
Eine Sache, die mir immer wieder durch den Kopf geht, ist Drews Behauptung, dass der Erpresser, der ihn in der Nacht nach dem Mord angerufen und ihm gesagt hat, dass er das Geld auf das Footballfeld bringen soll, »wie ein jugendlicher Schwarzer« geklungen hat. Ich bezweifle, dass ein vierunddreißigjähriger Veteran von Desert Storm wie ein Jugendlicher klingt, doch manchmal ist man überrascht, welche Stimme ein Mensch haben kann. Der Schwergewichtschampion und verurteilte Vergewaltiger Mike Tyson beispielsweise klingt wie ein fünfjähriger Knabe, wenn er spricht. Doch die wahrscheinlichere Antwort lautet, dass der große Drogendealer Cyrus White Dutzende von Kids für sich arbeiten lässt. Und dass er einen von diesen Kids den Anruf für sich hat führen lassen.
Es war nicht nur Geld, was die Erpresser wollten, erinnere ich mich in plötzlicher Klarheit. Die Erpresser wollten von Drew außerdem Drogen. Medikamente. Doch deutet das auf Cyrus White? Warum sollte ein Drogendealer Drogen verlangen? Während ich über dieser Frage brüte, läutet es an meiner Haustür. Ich erwarte keinen Besucher, doch angesichts all dessen, was heute passiert ist, vermag ich nicht zu sagen, wer es sein könnte.
Als ich die Tür öffne, steht Jenny Townsend vor mir, Kates Mutter. Mit ihr hätte ich am wenigsten gerechnet. Jenny ist groß und hat klare Augen wie Kate, und sie hält eine abgewetzte Jimmy-Choo-Schuhschachtel in den Händen.
»Hallo Penn«, sagt sie mit beherrschter Stimme.
»Jenny«, sage ich verlegen. »Möchtest du reinkommen?«
Sie
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