Blackmail: Thriller (German Edition)

dein Wort als Gentleman gibst, Penn. Ich weiß, dieses Wort ist ziemlich altmodisch, aber in einigen Fällen trifft es heute noch zu.«
    »Du hast mein Wort, Jenny.«
    Noch während ich die Schachtel entgegennehme und mir unter den rechten Arm klemme, frage ich mich, was ich hier eigentlich tue. Wie kann ich Drew vor Gericht verteidigen, wenn ich Jenny geschworen habe, dafür zu sorgen, dass er seine Strafe erhält, sollte er schuldig sein? Vielleicht ist das der Grund, aus dem ich die Schachtel nehme. Vielleicht ist das mein Weg aus der Verpflichtung, Drew vor Gericht zu verteidigen.
    »Daddy?«, ruft Annie aus dem Esszimmer. »Wer ist es?«
    »Ich gehe jetzt wieder«, sagt Jenny.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Jenny.«
    Sie wendet sich ab, geht zur obersten Treppenstufe und dreht sich noch einmal um. »Der Bezirksstaatsanwalt hat mir verraten, dass Kate schwanger war. Es muss Drews Baby gewesen sein.«
    Ich nicke langsam.
    »Glaubst du, er hätte sie geheiratet, Penn? Sag mir die Wahrheit.«
    »Das ist der eine Punkt in dieser ganzen Sache, bei dem ich absolut sicher bin, Jenny. Er hätte sie schon morgen geheiratet, wenn er gekonnt hätte.«
    Sie legt den Kopf in den Nacken und blinzelt die Tränen aus den Augen; dann schenkt sie mir ein trauriges Lächeln und eilt in die Nacht davon.
    In der Stille spüre ich, wie mir selbst die Tränen kommen. Wie haben wir uns nur in diese Lage gebracht? Jenny Townsend in ihrer einsamen Trauer, Drew allein in seiner Gefängniszelle, Kate Townsend tot in einem Leichenschauhaus irgendwo in Jackson, mit einem hässlichen, zusammengenähten Y-förmigen Einschnitt auf dem Leib; ein leerer Stuhl in Harvard, eingenommen von irgendeinem glücklicheren Kind, das niemals erfahren wird, welche Tragödie sie oder ihn dorthin gebracht hat. Rührt das alles von Drews verbotener Liebe zu Kate her? Oder kann ich es zurückverfolgen auf Drews Frau und ihre Hydrocodonsucht, von der Drew behauptet, dass sie seine Ehe zerstört hat? Oder …
    »Daddy?«, ruft Annie von der Tür her. »Hörst du das Telefon nicht läuten?«
    »Nein, Kleines«, antworte ich leise. »Ich komme.«
    Ich gehe in die Küche und nehme den Hörer ab. »Hier ist Penn«, melde ich mich.
    »Penn? Ich bin’s, Walter Hunt.«
    Es dauert eine Sekunde, bis ich umgeschaltet habe. Walter Hunt ist ein Buchhalter, der in Sherwood Estates wohnt, ein Nachbar von Drew. Er hat zwei Kinder auf der St. Stephen’s.
    »Was kann ich für Sie tun, Walter?«
    »Für mich nichts, aber ich dachte, Sie würden vielleicht wissen wollen … Ellen Elliott stapelt Möbel und Hausrat und allen möglichen anderen Kram in ihrem Vorgarten auf. Sieht aus, als wären es Drews Sachen, wenn Sie mich fragen. Golfschläger und Skier und Jagdgewehre. Um die Wahrheit zu sagen, es sieht aus, als wollte sie ein Freudenfeuer aufschichten.«
    Gütiger Himmel! »Danke, Walter. Ich bin auf dem Weg. Wo ist Tim?«
    »Timmy ist hier bei uns. Meine Frau ist rübergegangen und durch die Hintertür ins Haus geschlüpft.«
    »Passen Sie auf, dass niemand die Polizei ruft. Ich bin so schnell da, wie ich kann.«
    »Beeilen Sie sich, Penn. Ellen ist dermaßen high, dass sie kaum noch laufen kann.«

10
    I ch sitze mit Annie auf der Vordertreppe und warte ungeduldig darauf, dass Mia Burke eintrifft. Annie spielt auf ihrem Gameboy. Ich versuche mich auf den Duft der weißen Narzissen zu konzentrieren, die um diese Jahreszeit reichlich auf der Washington Street blühen, doch im Moment fällt es mir schwer, irgendetwas zu genießen. Meine Gedanken drehen sich unablässig um die Jimmy-Choo-Schuhschachtel, die ich soeben oben auf der Armoire in meinem Gästezimmer im ersten Stock versteckt habe, die Schachtel, welche die geheime Geschichte von Kates Townsends Leben mit Drew enthält. Ich erschauere bei dem Gedanken, was passiert wäre, hätte die Polizei diese Schachtel bei einer Durchsuchung von Jennys Haus gefunden. Nur eines hält mich davon ab, gleich an Ort und Stelle durch Kates persönliche Dinge zu stöbern: die Angst, dass Ellen Elliott aus Rache etwas tun könnte, um Drew so schwer zu treffen wie möglich.
    Nachdem es mir nicht gelungen war, Ellen telefonisch zu erreichen, rief ich Mia an, die sich einverstanden erklärte, auf Annie aufzupassen, bis ich wieder zurück wäre. Bevor sie auflegte, sagte Mia noch, sie hätte mir etwas zu sagen wegen der »Kate-Geschichte«, doch sie weigerte sich, am Telefon weiter darüber zu sprechen. Da Mia in das