Blackmail: Thriller (German Edition)
beinahe zwanzig Jahre gebraucht, um es dem Kerl zurückzuzahlen, der damals versuchte, ihn zu ruinieren. »Dad, ich brauche deinen Rat, und das schnell.«
»Schieß los.«
»Ich benötige den besten schwarzen Anwalt, den du kennst.«
»Um Drew vor Gericht zu verteidigen?«
»Genau.«
»Du bist doch der Staranwalt, Sohn. Warum fragst du mich?«
»Du weißt genau warum. Ich möchte, dass dieser Anwalt von hier kommt, und am liebsten hätte ich eine Frau. Fällt dir jemand ein?«
»Lass mich nachdenken …«
»Nimm dir Zeit.« Ich höre Esther im Hintergrund etwas sagen.
»Ich kenne nur drei weibliche schwarze Anwälte in der Stadt. Ich habe über zwei von ihnen Gutes reden hören, aber ich würde sie nicht beauftragen, wenn Shad Johnson versucht, mich ans Scheunentor zu nageln.«
»Warum nicht?«
»Ich bin mir nicht sicher. Du hast mich nach meiner Meinung gefragt, und ich sag sie dir.«
»Okay. Was ist mit Männern?«
»Wir sollten Esther fragen.«
»Ich würde sie fragen, wenn ich krank wäre, aber nicht, wenn ich einen Anwalt brauche.«
Eine weitere Pause. Dad ruft jemandem einen Medikamentennamen und eine Dosierung zu. »Penn, ich muss dir leider sagen, dass ich dir nicht helfen kann. Wenn ich überlege, welche Anwälte wir in Natchez haben – schwarz oder weiß –, und daran denke, in was für einer Klemme Drew steckt, fällt mir niemand ein.«
»Ich weiß, was du meinst.«
»Tut mir leid, dass ich dir nicht weiterhelfen kann.«
»Schon gut. Es ist nur …«
»Warte eine Sekunde!«, ruft Dad plötzlich mit aufgeregter Stimme. »Verflixt, warum habe ich nicht gleich daran gedacht?«
»Was?«
»Nicht Was, sondern Wer! «
»Dir ist jemand eingefallen?«
»Der gerissenste Anwalt im Umkreis von tausend Meilen, wenn du mich fragst. Sorry, sollte keine Beleidigung sein.«
»Wen meinst du?«
»Quentin Avery.«
Bilder von einem großen Schwarzen in einem schwarzen Anzug, der vor dem Obersten Gerichtshof ein Plädoyer hält, gehen mir durch den Kopf. Auf einem jener alten Zeitungsfotos steht der »Negeranwalt«, wie die Schlagzeilen ihn damals nannten, neben Thurgood Marshall. Auf anderen Bildern ist er neben Robert Carter und Charles Huston zu sehen. Ich erinnere mich sogar an ein Bild, auf dem Quentin Avery neben einem erbost aussehenden Martin Luther King Junior gestanden hat.
»Quentin Avery«, sage ich. »Ich weiß, dass er ein Haus draußen in der Nähe der County-Grenze hat, aber ich wusste nicht, dass er viel Zeit dort verbringt.«
»Quentin ist häufig auf Reisen, doch im vergangenen Jahr war er die meiste Zeit in seinem Haus. Er lebt inzwischen ziemlich zurückgezogen. Ich behandle ihn wegen Diabetes und Bluthochdruck.«
»Wie alt ist er?«
»Hm … zwei oder drei Jahre älter als ich, schätzungsweise. Vierundsiebzig?«
»Und wie ist er in Form?«
»Geistig? Er schreibt an einem juristischen Lehrbuch. Und bei unseren Unterhaltungen ist er so schnell, dass ich ihm kaum folgen kann.«
»Wie ist sein Gesundheitszustand?«
»Er hat vor einigen Monaten einen Fuß verloren – wegen seiner Diabetes –, aber er kommt immer noch besser herum als ich. Er ist wie ein munterer alter Jagdhund.«
»Wieso bist du auf ihn gekommen? Ich meine, Avery ist eine Legende. Weshalb sollte er einen Fall wie diesen übernehmen?«
Noch während ich die Frage stelle, fällt mir eine mögliche Antwort ein. Quentin Avery mag eine Legende der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sein, doch die Zeit hat sein Denkmal nicht größer werden lassen. Die moralische Integrität, die er in den Sechzigern und Siebzigern demonstriert hatte, schiensich in den Achtzigern in Luft aufzulösen, als er anfing, Schmerzensgeldprozesse für Einzelpersonen zu führen und Sammelklagen gegen Pharmakonzerne. Dieser Gigant des amerikanischen Rechtswesens, der Präzedenzfälle vor dem höchsten Gericht des Staates gewonnen hatte, war urplötzlich in Jackson County, Mississippi, und verhandelte Verkehrsunfälle. Jackson war ein überwiegend von Schwarzen bevölkertes County, berüchtigt für seine Rekordstrafen, hauptsächlich basierend auf den Vorurteilen der Afroamerikaner, die Woche für Woche die Jury-Box füllten. Erst vor kurzer Zeit haben Anklagevertreter des Bundes sich darangemacht, diese Urteile zu untersuchen, und Verfahren sowohl gegen die Mitglieder der Jurys als auch der beteiligten Richter eingeleitet.
»Ich glaube nicht, dass er den Fall übernehmen würde«, sagt Dad. »Obwohl man nie wissen kann, ob es
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