Blackmail: Thriller (German Edition)
spaziert auf der gleichen Rasierklinge wie Sie. Er würde am liebsten aus dem Polizeigewahrsam ausbrechen und Cyrus White eigenhändig auseinandernehmen, Stück für Stück. Wir dürfen diesem Verlangen nicht nachgeben, Sonny. Noch nicht jedenfalls. Wir müssen dem Gesetz zuerst eine Chance geben, seine Arbeit zu tun.«
Sonnys Mundwinkel verziehen sich voller Verachtung. »Meinen Sie mit dem Gesetz etwa Shad Johnson?«
»Ja. Und Sheriff Byrd und Chief Logan.«
»Wollen Sie wissen, was ich von Sheriff Byrd halte? Ich zeige es Ihnen.« Der Drogenfahnder zieht die Nase hoch undspuckt auf den Asphalt. »Das halte ich von ihm. Und ich arbeite für den Mistkerl.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Sonny. Sie sind Teil des Systems. Tragen Sie dazu bei, dass es funktioniert. Und tun Sie mir bitte einen Gefallen. Wenn Sie noch irgendetwas über Marko Bakic herausfinden, dann informieren Sie mich noch vor der Sitzung heute Abend. Achtzehn Uhr.«
Sonny zieht eine Dose Skoal aus der Hemdentasche, taucht Daumen und Zeigefinger in das Zeug und schiebt es sich zwischen Unterlippe und Kiefer. »Ich hab ein paar Dinge am Laufen«, sagt er und startet den Explorer wieder. »Ich gebe Ihnen Bescheid, auf die eine oder andere Weise.«
»Was haben Sie am Laufen, Sonny?«, frage ich besorgt.
Er grinst und zwinkert mir zu. »Fragen Sie mich nicht, okay? Bis später, Kumpel.«
Der Explorer schießt mit kreischenden Reifen los, als Sonny die schweigende Glocke umrundet und mit aufheulendem Motor zurück auf den Highway jagt.
Der frühe Nachmittag verging ohne Überraschungen. Shad Johnson legte sich mit dem Polizeichef an, weil er Drew wegen Mordes verhaftet hat, doch er unternahm sonst nichts deswegen. Der Aufenthaltsort von Cyrus White blieb weiterhin im Dunkeln. Mein Vater sprach mit Quentin Avery, doch der berühmte Zivilrechtler versprach nichts, außer dass er »gründlich über die Situation Ihres Sohnes nachdenken« würde. Um drei Uhr holte ich Annie von der Schule ab und fuhr sie zum Softball-Training im Liberty Park. Ich bleibe oft dort und sehe ihr zu, wenn ich nicht selbst als Trainer herangezogen werde.
Sie schlägt heute gut, doch ihr Feldspiel ist alles andere als spektakulär. Aus irgendeinem Grund beendet der Trainer die Stunde früher, und Annie kommt mit niedergeschlagener Miene zu mir. Ich will sie trösten, als mein Handy summt. Das Display zeigt mir, dass mein Vater anruft.
»Hi, Dad. Was gibt’s?«
»Quentin Avery hat mich soeben angerufen.«
Plötzlich bin ich von neuem Schwung erfüllt. »Und?«
»Er sagt, er bringt einen Anwalt mit in meine Praxis, der als Drews Verteidiger perfekt wäre. Er möchte, dass du dich mit ihm triffst. Kannst du dich frei machen?«
»Verdammt, na klar! Wann?«
»Daddy, du fluchst ja schon wieder!«, ermahnt mich Annie.
Ich raufe ihr durch den Pferdeschwanz. »Um wie viel Uhr?«
»Jetzt sofort. Quentin hatte bereits einen Termin wegen seines Beins, da wollte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nehme ich an.«
»Wer ist dieser Anwalt?«
»Hat er nicht gesagt.«
»Okay. Ich bin unterwegs. Ich muss zuerst noch Annie zu Hause absetzen.«
»War das Opa?«, fragt Annie, als ich das Gespräch beendet habe.
»Woran hast du das gemerkt?«
»Daran, wie du mit ihm sprichst. Es ist anders, als wenn du mit mir redest.«
Annie hat mehr Intuition, als ich je besessen habe. »Du bist wie deine Mutter, Kind.«
Sämtlicher Humor verschwindet aus ihrem Gesicht. »Wirklich?«
»Wirklich. Genau wie deine Mutter.«
Nachdem wir in den Wagen gestiegen und in Richtung Highway losgefahren sind, sagt Annie: »Du und Caitlin, ihr habt in letzter Zeit nicht viel miteinander geredet, nicht wahr?«
»Nein. Sie hat in Boston ziemlich viel zu tun.«
Annie grübelt über meine Antwort nach. »Ich dachte, sie würde öfters vorbeikommen und uns besuchen.«
»Dachte ich auch, Zwerg. Genau wie Caitlin. Aber die Arbeit lässt den Erwachsenen manchmal keine große Wahl.« Obwohl das in Caitlins Fall nicht ganz die Wahrheit ist.
»Darf ich dir eine Frage stellen, Dad?«
»Sicher, Schatz.«
»Ist Mia zu jung für dich?«
Die Frage macht mich sprachlos.
»Ich weiß, dass sie jung ist«, fährt Annie unbekümmert fort. »Aber sie wirkt richtig erwachsen für ihr Alter, und ich mag sie sehr. Sie ist überhaupt nicht wie alle anderen Mädchen auf der Highschool, weißt du? Sie liest die gleichen Bücher wie du, sie ist richtig hübsch, und …«
»Annie.«
Die Augen meiner Tochter
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