Blackout
ja auch gerne mit Ihnen, weil Sie mir wie ein angenehmer, intelligenter junger Mann vorkommen und ich nicht viele Besuche erhalte, mit denen ich so nett plappern kann wie mit Ihnen - genug davon.«
»Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis, Professor.«
»Und das können Sie auch. Ich bin sicher, Sie haben Gründe dafür, daß Sie mich über - Willie aushorchen. Sie sind vermutlich langweilig, und ich will sie gar nicht kennen. Konnte ich Ihnen wenigstens ein bißchen helfen?«
»Sie haben mir sehr geholfen.« Ich schenkte uns wieder ein, und wir tranken beide, ohne zu sprechen.
»Würden Sie mir vielleicht noch ein bißchen mehr helfen?«
fragte ich nach einer Weile.
»Kommt darauf an.«
»Doktor Towle hat einen Neffen: Timothy Kruger. Ich frage mich, ob Sie mir auch über ihn etwas sagen können.«
Van der Graaf hob mit zitternden Händen das Glas an die Lippen. Sein Gesicht umwölkte sich. »Kruger.« Er sprach den Namen aus, als wäre er ein unanständiges Wort.
»Ja.«
»Cousin, ziemlich entfernter Cousin, nicht Neffe.«
»Also dann, Cousin.«
»Kruger. Eine alte Familie. Preußisch, alle miteinander. Mächtige Börsenmakler. Eine sehr mächtige Familie.« Seine fließende, honigsüße Sprechweise war verschwunden; jetzt spuckte er die Worte mit mechanischer Intonation aus. »Preußen.«
Er ging ein paar Schritte. Das spinnenartige Schwanken hörte gleich danach abrupt auf, und er ließ die Arme sinken. »Also ist es doch eine Polizeisache«, murmelte er. »Warum sagen Sie das?«
Sein Gesicht verdüsterte sich vor Zorn, und er hob eine Faust in die Höhe, ein Prophet des Untergangs. »Halten Sie mich nicht leichtfertig hin, junger Mann! Wenn es etwas mit Timothy Kruger zu tun hat, kommt nichts anderes in Frage.«
»Es handelt sich in der Tat um eine polizeiliche Ermittlung. Ich kann leider nicht in die Details gehen.«
»Ach, das können Sie nicht? Ich lasse meine Zunge Spazierengehen, ohne mich zuvor über Ihre Absichten zu erkundigen. Vor ein paar Minuten hielt ich Sie noch für langweilig. Jetzt allerdings habe ich meine Meinung geändert.«
»Was erschreckt Sie so sehr an dem Namen Krugers, Professor?«
»Das Übel«, sagte er. »Das Übel erschreckt mich. Sie sagen, Ihre Fragen sind Teil einer polizeilichen Ermittlung. Woher soll ich wissen, auf wessen Seite Sie stehen?«
»Ich arbeite für die Polizei. Aber ich bin kein Polizeibeamter.«
»Ich ertrage es nicht, daß man in Rätseln mit mir spricht. Entweder Sie sagen jetzt die Wahrheit, oder Sie gehen!« Ich überlegte es mir gut.
»Es ist wegen Margaret Dopplemeier«, erklärte ich. »Ich möchte nicht, daß sie wegen irgend etwas, was ich Ihnen sage, ihren Job verliert.«
»Maggie?« knurrte er. »Um die brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich habe nicht die Absicht, bekanntzugeben, daß sie es war, die Sie zu mir gebracht hat. Maggie ist ein trauriges Mädchen und braucht Heimlichkeiten, um damit ihr Leben zu würzen. Ich habe oft genug mit ihr gesprochen, um zu wissen, daß sie sich verbissen an die Komplott-Theorie des Lebens klammert. Halten Sie ihr etwas Passendes vor die Nase - sie schnappt danach wie ein Fisch nach dem Köder. Die Kennedy-Morde, UFOs, Krebs, Zahnverfall - das alles ist ihrer Meinung nach das Ergebnis einer großen Verschwörung anonymer Dämonen. Sie haben das zweifellos erkannt und ausgenützt.« Es klang machiavellistisch. Ich widersprach ihm nicht. »Nein«, sagte er, »ich habe kein Interesse daran, Maggie kaputtzumachen. Sie ist eine Freundin. Abgesehen davon ist meine Loyalität gegenüber diesem Institut alles andere als blind. Ich verabscheue einige Aspekte dieses Colleges, das dennoch, wenn Sie wollen, meine wahre Heimat ist.«
»Wie Sie die Krugers verabscheuen?«
»Wie ich eine Umwelt verabscheue, die es den Krugers und Menschen ihrer Sorte gestattet, sich auszubreiten.«
Er wackelte mit dem Kopf; das zu große Haupt bewegte sich seltsam schlaff auf dem mißgestalteten Körper.
»Sie haben die Wahl, junger Mann. Reden oder Schweigen.«
Ich entschloß mich zum Reden.
»Nichts von dem, was Sie mir erzählt haben, überrascht mich«, sagte er. »Ich wußte nichts von Stuart Hickles Tod und seinen sexuellen Neigungen, aber weder das eine noch das andere ist für mich ein Schock. Er war ein schlechter Dichter, Doktor Delaware, ein sehr schlechter- und es gibt nichts Schlechteres auf der Welt als einen schlechten Dichter.« Ich erinnerte mich an den Vers unter der Todesanzeige für Lilah Towle
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