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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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die über die Tiefe der Rivalität zwischen den beiden Bescheid wußten, war das alles andere als eine befriedigende Erklärung. Das College war natürlich darauf bedacht, die Sache stillschweigend zu bereinigen, und die Polizei gab diesem Wunsch nur allzu willfährig nach - warum sollte sie sich mit den Millionen der Krugers anlegen, wo es doch genug arme Menschen gab, die Verbrechen begingen? Ich nahm an Jeffreys Beisetzung teil, bin damals nach Idaho geflogen. Bevor ich abflog, traf ich zufällig Timothy auf dem Gelände hier. Zurückblickend muß ich sagen, er hat die Begegnung vermutlich absichtlich herbeigeführt.« Van der Graafs Mund zuckte, und die Falten vertieften sich, als wenn sie von innen gezogen würden. »Er kam in der Nähe der Statue des Gründers auf mich zu. ›Ich höre, Sie fliegen weg, Professor‹, sagte er. ›Ja‹, erwiderte ich. ›Heute abend, nach Boise.‹- ›Um Ihrem jungen Schützling die letzte Ehre zu erweisen?‹ fragte er. Sein Gesicht drückte völlige Unschuld aus, gespielte Unschuld natürlich - er war ein Schauspieler, bei Gott, das war er, und er konnte seine Züge seinem Willen unterordnen.
    ›Was interessiert Sie das?‹ erwiderte ich. Er bückte sich, hob einen trockenen Zweig auf, zeigte ein arrogantes, überhebliches Grinsen - das Grinsen, das man auf den Gesichtern der KZ-Wächter sieht, die eines ihrer Opfer mißhandeln-, zerbrach den Zweig mit einer eleganten Bewegung seiner Finger und ließ ihn zu Boden fallen. Dann lachte er. Noch nie im Leben war ich so nahe dran, einen Mord zu begehen. Wenn ich jünger, kräftiger öder ordentlich bewaffnet gewesen wäre- ich hätte es getan. Aber so, wie es war, stand ich nur da und fand wohl zum erstenmal in meinem Leben keine Worte. ›Guten Flug‹, sagte er noch und ging hämisch grinsend davon. Mein Herz pochte so heftig, daß ich ganz benommen war, und es gelang mir nur mit Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren. Als er nicht mehr zu sehen war, brach ich zusammen und heulte.« Ein langer Augenblick des Schweigens verstrich. Als der alte Mann sich wieder einigermaßen gefaßt hatte, fragte ich ihn: »Weiß das Margaret? Über Kruger?« Er nickte.
    »Ich habe es ihr erzählt. Sie ist meine Freundin.« Also war die komische PR-Lady doch nicht ganz so harmlos, wie ich befürchtet hatte. Diese Erkenntnis erleichterte mich, wenn ich auch nicht genau sagen konnte, warum. »Nur noch eins- dieses Mädchen, um das es bei dem Kampf letztlich gegangen ist. Was ist aus ihr geworden?«
    »Was haben Sie erwartet?« Er sagte es spöttisch, und endlich kehrte wieder der alte, giftige Ton in seine Stimme zurück. »Sie hat Kruger den Laufpaß gegeben- und die anderen Studenten haben sich auch von ihm zurückgezogen. Sie hatten Angst vor ihm. Das Mädchen war noch drei Jahre in Jedson, hat dann einen Investment-Berater geheiratet und ist nach Spokane gezogen. Sie ist jetzt sicherlich eine ordentliche Hausfrau, scheucht die Kinder zur Schule, nimmt den Brunch im Klub und treibt es mit dem Lieferantenjungen.«
    »Die Beute des Kampfs.«
    Er schüttelte den Kopf. »Was für eine Verschwendung.« Ich schaute auf meine Armbanduhr. Jetzt war ich etwas mehr als eine Stunde hier in der Kuppel, aber mir kam es viel länger vor. Van der Graaf hatte in dieser Zeit eine ganze Wagenladung Schlamm abgeladen, aber er war schließlich Historiker, daher gelang es ihm, in so kurzer Zeit so viel zu berichten. Ich war müde und angespannt und sehnte mich nach frischer Luft. »Professor«, sagte ich, »ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
    »Wenn Sie die Information gut nützen, ist das zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.« Die blauen Augen leuchteten wie zwei Gasflammen. »Lassen Sie auch mal ein paar Zweige knacken.«
    »Ich werde mich bemühen.« Jetzt erhob ich mich. »Sie finden sicher allein hinaus.« Das war kein Problem für mich.
    Als ich schon fast am Lift stand, rief er mir nach: »Und erinnern Sie Maggie an unser Pizza-Picknick!«
    Seine Worte erzeugten ein Echo auf dem glatten, kalten Stein.

23
    Bei bestimmten primitiven Völkern herrscht der Glaube, daß es nicht genügt, wenn man einen Feind besiegt und alle Beweise seiner körperlichen Existenz vernichtet hat: auch die Seele muß besiegt werden. Dieser Glaube ist die Wurzel verschiedener Formen des Kannibalismus, der in vielen Gegenden der Welt existierte und noch existiert. Du bist, was du ißt. Verschlinge das Herz deines Opfers, und du hast dir sein ganzes Wesen

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