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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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im Jahrbuch des Colleges. Jetzt war mir klar, was das ›S‹ bedeutete.
    »Als Sie Timothy erwähnten, wurde ich argwöhnisch, weil ich nicht wissen konnte, ob Sie vielleicht im Dienst der Krugers stehen. Die Identifikationskarte, die Sie mir gezeigt haben, ist gut und schön, aber ich glaube, solche Dinge kann man mühelos fälschen.«
    »Rufen Sie Detective Delano Hardy bei der Polizei von West Los Angeles an. Er wird Ihnen sagen, auf welcher Seite ich stehe.« Ich hoffte, er würde mich nicht beim Wort nehmen - wer konnte vorhersagen, wie Hardy reagieren würde? Jetzt schaute er mich nachdenklich an. »Nein, das ist wohl nicht nötig. Sie sind ein furchtbar schlechter Lügner. Ich glaube, ich kann intuitiv feststellen, wann Sie die Wahrheit sagen.«
    »Danke.«
    »Gern geschehen. Es war als Kompliment gedacht.«
    »Erzählen Sie mir von Timothy Kruger«, bat ich ihn. Er stand da, blinzelte wie ein Gnom und sah dabei aus wie die Ausgeburt eines Labors für Spezialeffekte in Hollywood. »Zunächst muß ich, glaube ich, betonen, daß das Übel der Krugers nichts mit dem Reichtum zu tun hat. Auch als arme Schlucker wären sie so übel, sind es wohl auch einmal gewesen. Wenn das defensiv klingen sollte - genau das ist beabsichtigt. «
    »Ich verstehe.«
    »Die sehr reichen Leute sind im Gegensatz zur bolschewistischen Propaganda nicht übel. Sie sind ein eher harmloser Haufen - behütet, zurückhaltend, zum Untergang bestimmt.« Er trat einen Schritt zurück, als schaffe er damit Abstand von seiner eigenen Prophezeiung. Ich wartete.
    »Timothy Kruger«, begann er schließlich, »ist ein Mörder, schlicht und einfach. Die Tatsache, daß er nie festgenommen, überführt, angeklagt oder verurteilt wurde, verringert in meinen Augen keineswegs seine Schuld. Die Geschichte reicht sieben - nein, acht Jahre zurück. Damals gab es einen Studenten hier- einen Jungen von einer Farm in Idaho. Klug wie selten einer und gebaut wie ein Adonis. Er hieß Saxon. Jeffrey Saxon. Er kam hierher, um zu studieren, der erste seiner Familie, der einen Abschluß auf der High School geschafft hatte, und er träumte davon, Schriftsteller zu werden. Er wurde angenommen, bekam ein Sportstipendium - seine Spezialitäten waren Rudern, Baseball, Football und Ringen - und zeichnete sich auch hier in diesen Disziplinen aus, während er in den übrigen Noten auch stets die Eins vor dem Komma stehen hatte. Er spezialisierte sich auf Geschichte, und ich war sein Tutor, da ich zu dieser Zeit schon nicht mehr lehrte. Wir haben uns oft miteinander unterhalten, hier oben in diesem Raum. Es war ein Vergnügen, mit dem Jungen zu reden. Er verfügte über große Lebensfreude und einen erstaunlichen Wissensdurst.«
    Im Winkel des rechten blauen Auges stand eine Träne. »Entschuldigen Sie.« Der Alte zog ein Leinentaschentuch heraus und tupfte sich damit die Träne ab- »Staubig hier, muß mal wieder jemanden reinlassen, der saubermacht.« Er trank einen Schluck Whisky, und als er weitersprach, war seine Stimme von den Erinnerungen stark mitgenommen. »Jeffrey Saxon hatte die seltene, suchende Natur des echten Gelehrten, Doktor Delaware. Ich erinnere mich gut, wie er das erste Mal hier heraufkam und all die Bücher sah. Wie ein Kind, das man in einen Spielzeugladen geschickt hat. Ich borgte ihm meine besten antiquarischen Bände- alles von der Londoner Ausgabe der Chroniken von Josephus bis zu anthropologischen Abhandlungen. Er verschlang sie. ›Du meine Güte, Professor‹, hat er gesagt, ›man brauchte ja schon ein ganzes Leben, um nur einen Bruchteil dessen zu lernen, was wissenswert ist.‹ Sehen Sie, das ist meines Erachtens das Zeichen eines Intellektuellen, daß er seine eigene Bedeutungslosigkeit im Verhältnis zu der inzwischen angesammelten Masse menschlichen Wissens erkennt.
    Die anderen dachten natürlich, daß er ein Bauer sei, ein Tölpel vom Land. Sie machten sich lustig über seine Kleidung, seine Manieren, das Fehlen von Raffinesse. Er sprach mit mir darüber - ich glaube, ich war inzwischen für ihn eine Art Ersatz-Großvater geworden-, und ich erklärte ihm, daß er für eine bessere Gesellschaft bestimmt sei als die, welche ihm Jedson bieten konnte. Ich habe ihn sogar ermutigt, die Versetzung in ein College an der Ostküste zu beantragen- ich hatte an Yale oder Princeton gedacht-, wo man ihm eine bei weitem intellektuellere Ausbildung gewährleisten würde. Mit seinen Noten, den sportlichen Leistungen und meinem Empfehlungsschreiben hätte

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