Blackout
er es geschafft. Aber leider bekam er nie die Gelegenheit, es auch nur zu versuchen. Er verliebte sich in eine junge Lady, eine von den Zweihundert, hübsch, aber leer im Kopf. Das allein war eigentlich noch kein Fehler, denn schließlich müssen Herz und Drüsen befriedigt werden. Der Fehler war, daß er sich ein Mädchen wählte, das schon von einem anderen begehrt wurde.«
»Von Tim Kruger?« Van der Graaf nickte traurig.
»Das ist sehr schwierig für mich, Doktor. Es bringt so viele Erinnerungen zurück.«
»Wenn es zu schwierig ist, Professor, kann ich Sie jetzt allein lassen und ein andermal wiederkommen.«
»Nein, nein, das hätte keinen Sinn.« Er atmete tief durch. »Und nun kommt eine schmalzige Seifenoper von Geschichte. Jeffrey und Kruger interessierten sich, wie gesagt, für dasselbe Mädchen, und sie hatten darüber einige Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit. Die Leidenschaften flammten auf, doch das Feuer schien sich bald wieder zu legen. Jeffrey besuchte mich und ließ seinen Gefühlen freien Lauf. Ich spielte den Amateurpsychologen - Professoren sind oft in der unangenehmen Situation, ihren Studenten gefühlsmäßige Unterstützung geben zu müssen, und ich bin sicher, daß ich es nicht schlecht gemacht habe. Ich legte ihm dringend nahe, das Mädchen zu vergessen, da ich ihren Typ erkannt hatte und genau wußte, daß Jeffrey in allen Machtkämpfen der Unterlegene bleiben mußte. Die jungen Leute von Jedson sind wie die Brieftauben; sie kehren immer wieder in ihren Kobel zurück und tun das, was ihre Vorfahren taten. Sie bleiben unter sich. Dieses Mädchen war dazu bestimmt, einen der ihren zu heiraten. Es gab bessere Dinge, ja, feinere, die auf Jeffrey warteten, ein ganzes Leben voller Gelegenheiten und Abenteuer.
Er wollte nicht hören. Er war wie ein Ritter aus den alten Zeiten, erfüllt von seiner edlen Mission. Besiege den schwarzen Drachen, rette die blonde Jungfrau aus seinen Klauen. Vollkommener Unsinn natürlich- aber er war ein Parsifal. Arglos.«
Van der Graaf hielt inne, war außer Atem geraten. Sein Gesicht war grünlich-bleich geworden, und ich machte mir Sorgen um seine Gesundheit.
»Vielleicht sollten wir eine kleine Pause einlegen«, schlug ich vor. »Ich kann ja morgen wiederkommen.«
»Auf keinen Fall! Ich will hier nicht allein hocken müssen, während mir diese giftige Kröte in der Kehle sitzt.« Er räusperte sich. »Ich mache weiter- und Sie bleiben sitzen und hören mir gut zu.«
»In Ordnung, Professor.«
»Ja, also - wo war ich? Richtig, Jeffrey, der edle Ritter. Törichter Junge. Die Feindschaft zwischen ihm und Timothy Kruger wurde also fortgesetzt und begann zu schwären wie eine Eiterbeule. Jeffrey wurde von allen gemieden, denn Kruger war der Star des Colleges und gesellschaftlich etabliert. Ich wurde zu Jeffreys einziger Stütze. Unsere Gespräche drehten sich jetzt um andere Dinge; von zerebralem Gedankenaustausch konnte nicht mehr die Rede sein. Jetzt war ich für ihn der Vollzeit-Psychotherapeut- eine Rolle, in der ich mich höchst unwohl fühlte, aber ich wußte auch, daß ich den Jungen nicht im Stich lassen konnte. Ich war alles, was er hier noch hatte.
Die Sache kulminierte in einem Ringkampf. Beide Jungen waren Ringer im griechisch-römischen Stil. Sie vereinbarten einen Kampf spät am Abend in der leeren Turnhalle, nur die beiden, ein Kampf auf Sieg oder Untergang. Ich selbst bin aus naheliegenden Gründen kein Ringer, aber ich weiß, daß es in diesem Sport besonders strenge Regeln gibt, die eingehalten werden müssen, und daß die Kriterien für den Sieg sehr klar und deutlich festgelegt sind. Das war einer der Gründe, warum Jeffrey den Sport liebte- er selbst war für einen so jungen Menschen erstaunlich diszipliniert. Er ging lebendig in die Turnhalle hinein und wurde auf einer Bahre wieder herausgetragen, lebte nur noch im Sinne von Dahinvegetieren. Drei Tage später war er tot.«
»Und sein Tod wurde als ein Unfall angesehen«, sagte ich leise.
»Das war die offizielle Version. Kruger behauptete, er und Jeffrey hätten sich in komplizierter Weise in die Zange genommen, und bei dem Durcheinander aus Armen, Beinen und Körpern sei Jeffrey tödlich verletzt worden. Und wer hätte das bestreiten können - Unfälle gibt es immer mal wieder, auch bei offiziellen Ringkämpfen. Im schlimmsten Fall handelte es sich um zwei unreife junge Kerle, die sich unverantwortlich verhalten hatten. Aber für diejenigen von uns, die Timothy kannten und
Weitere Kostenlose Bücher