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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Walroß, zu tun hatte. Und was die Freunde betraf: Für so etwas hatte die Firma M und M-Immobilien keinen Sinn.
    »Das klingt alles ziemlich schlimm, nicht wahr?« Ich hielt es für aufgelegten Bockmist. Er hatte sich offenbar nicht die Mühe gemacht, die Situation durch eine sorgfältige psychologische Bewertung zu prüfen. Nichts, außer daß man der Mutter aufs Wort glaubte. Ich schaute Towle an, und ich sah einen Quacksalber vor mir. Einen gutaussehenden, weißhaarigen Quacksalber mit vielen einflußreichen Beziehungen und den richtigen Papierfetzen an der Wand. Am liebsten hätte ich es ihm gesagt, aber das hätte niemandem etwas genützt, schon gar nicht Sarah oder Milo.
    Also hielt ich mich zurück.
    »Ich kann das nicht beurteilen. Sie sind in dem Fall der Arzt.« Das gespielte kameradschaftliche Lächeln war eine Übung in moralischer Selbstkontrolle.
    »Das stimmt, Alex, das bin ich tatsächlich.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich weiß, was Sie jetzt denken. Will Towle ist ein Pillenhändler. Sie halten Stimulantien für eine andere Form von Kinderschändung. «
    »Das würde ich nicht behaupten.« Er wischte meinen Einwand beiseite.
    »Nein, nein, ich weiß es. Und ich kann Ihnen nicht einmal erwidern, daß sie unrecht haben. Sie arbeiten mit Verhaltensforschung, und Sie sehen alles aus diesem Blickwinkel. Das geht uns allen so; wir haben unsere berufliche Tunnelsicht. Die Chirurgen wollen alles aufschneiden. Wir verschreiben Pharmazeutika, und ihr analysiert die Patienten zu Tode.« Es hörte sich an, als ob er gleich anfangen würde, mir eine Vorlesung zu geben.
    »Zugegeben, Medikamente haben ihre Risiken. Aber es geht auch um eine Nutzen-Schaden-Analyse. Nehmen wir ein Kind wie diese kleine Quinn. Womit fängt alles an? Schlechte Gene, beide Eltern intellektuell in gewisser Weise beschränkt.« Das Wort beschränkt klang bei ihm sehr grausam. »Also miserable Gene und Armut, dazu eine gescheiterte Ehe. Der Vater abwesend - obwohl die Kinder in vielen dieser Fälle besser dran sind ohne die Art von Rollenmodell, welches ihnen solche Väter bieten. Also schlechte Gene und schlechte Umwelt. Das Kind erhält sozusagen schon zwei schwere Schläge, bevor es den Mutterleib verläßt. Ist es ein Wunder, daß wir bald danach alle Zeichen erkennen: antisoziales Verhalten, die Unfähigkeit, sich anzupassen, schlechtes Schulverhalten, ungenügende Impulskontrollen?« Ich empfand plötzlich das Bedürfnis, die kleine Sarah zu verteidigen. Ihr genialer Doktor schilderte sie als totale Mißgeburt. Aber ich schwieg.
    »Ein solches Kind« - er nahm die Brille ab und legte den Ordner zur Seite- »müßte schon erstaunliche Leistungen in der Schule bringen, um sich wenigstens ein annähernd vernünftiges Leben zu bahnen. Ansonsten ist es wieder eine Generation von GBP.«
    Ganz Beschissenes Protoplasma. Eines der seltsamen Kürzel, wie sie der medizinische Beruf hervorbringt, um unglückliche Patienten zu beschreiben.
    Bei einem Mann wie Towle den konservativen Spießer zu spielen, war allerdings nicht meine Vorstellung eines vergnüglichen Nachmittags. Aber ich hatte das Gefühl, das Ganze war eine Art Ritual, das heißt, daß er mir - falls ich es aushielt und ihm gestattete, mich lächelnd fertigzumachen - geben würde, wofür ich gekommen war.
    »Aber ein Kind mit solchen Genen kann eben nichts erreichen, und zudem arbeitet auch noch seine Umwelt dagegen. Es sei denn, das Kind bekommt Hilfe. Und sehen Sie, an diesem Punkt setzt die Behandlung mit Stimulantien ein. Diese Tabletten gestatten der Kleinen, lange genug stillzusitzen und aufzupassen, um ein bißchen zu lernen. Sie kontrollieren ihr Verhalten bis zu dem Punkt, wo sie sich nicht mehr ihre ganze Umwelt zu Feinden macht.«
    »Ich hatte den Eindruck, ihre Mutter wendet die Medikation auf etwas zufällige Weise an. Sie gibt ihr an Tagen, wo sie viel Betrieb in ihrer Wohnung hat, eine zusätzliche Dosis.«
    »Das muß ich überprüfen.« Es klang nicht so, als ob er sich Sorgen machte. »Sie dürfen nicht vergessen, Alex, dieses Kind existiert nicht in einem Vakuum. Es steht vielmehr in einem sozialen Kontext. Wenn ihre Mutter und sie dort hinausgeworfen werden, wenn sie kein Dach mehr über dem Kopf haben - nun, das wäre der Therapie doch auch nicht gerade forderlich, oder?«
    Ich hörte zu, war mir sicher, daß noch mehr kommen würde. Und ich hatte recht.
    »Jetzt können Sie natürlich fragen: Wie steht es mit der

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