Blackout
Wir kamen zu der Fußgängerbrücke, die zum Pier führte.
»Bist du schon mal Karussell gefahren?« fragte ich Sarah. »Einmal. Bei einem Schulausflug zum Magic Mountain. Die schnellen Sachen haben mir Angst gemacht, aber das Karussell war schön.«
»Komm.« Ich zeigte hinaus auf den Pier. »Da draußen ist eines. Wir fahren damit.«
Im Gegensatz zum Park war der Pier fast menschenleer. Hier - und da fischten ein paar Männer, meistens ältere Schwarze und Asiaten, und ihre Mienen waren pessimistisch, ihre Eimer leer. Trockene Fischschuppen klebten an den Holzplanken des Stegs und ließen ihn in der Morgensonne silbern funkeln. Die verwitterten Bohlen waren an manchen Stellen gesprungen, und beim Darübergehen konnte man immer wieder durch die Spalten auf das Wasser darunter sehen, das gegen die Pfähle schlug und sich dann zischend zurückzog. Im Schatten unter dem Pier sah das Wasser grünlich-schwarz aus. In der Luft lag ein starker Geruch nach Teer und Salz, der reife, nackte Duft der Einsamkeit und der vergeudeten Zeit. Die Billardhalle, wo ich mich versteckt hatte, wenn wir als Kinder hier spielten, war geschlossen. Statt dessen gab es eine Passage mit elektronischen Videospielen. Ein einsamer Mexikanerjunge zerrte an den Joysticks von einem der buntbemalten Roboter. Computergeräusche kamen aus dem Gerät, das piepste und klimperte.
Das Karussell befand sich in einem riesigen, scheunenartigen Gebäude, das so aussah, als würde es bei der nächsten Flut einstürzen. Der Mann, der das Karussell bediente, war ein kleiner Kerl mit einem Bauch von der Form einer Honigmelone und mit Schuppenflechte um die Ohren. Er saß auf einem Hocker, las eine Wettzeitung und tat so, als wären wir nicht hier.
»Wir möchten Karussell fahren.«
Er blickte hoch und beäugte uns. Sarah betrachtete die alten Plakate an den Wänden. Buffalo Bill. Victorian Love. »Einmal fahren einen Vierteldollar.
Ich gab ihm zwei Scheine.
»Damit können wir eine Weile fahren, oder?«
»Klar.«
Ich hob Sarah auf ein großes, weißgoldenes Pferd mit einem rosa Federbüschel als Schwanz. Die Messingstange, auf der es montiert war, wies ringsherum diagonale Streifen auf- das sichere Zeichen, daß das Pferd auch auf und ab gehen würde. Ich blieb vorsichtshalber daneben stehen. Der winzige Mann war in seine Lektüre vertieft. Er streckte eine Hand aus, drückte auf einen Knopf, der sich an dem halb verrosteten Schaltbrett befand, betätigte einen Schalter, zog an einem Hebel, und aus einem Dutzend versteckter Lautsprecher jaulte eine rheumatische Version des Walzers ›An der schönen blauen Donau‹. Das Karussell setzte sich langsam in Bewegung, dann begann es sich schneller zu drehen: Pferde, Affen und Kutschen erwachten zum Leben und bewegten sich vertikal und gegenläufig zu der Drehung des Karussells. Sarah klammerte sich fester um den Hals ihres Pferds und schaute geradeaus. Dann, ganz allmählich, lockerte sie den Griff und sah sich um. Bei der zwanzigsten Umdrehung bewegte sie sich zur Musik, hatte die Augen geschlossen und den Mund offen in einem lautlosen Lachen. Als die Musik schließlich zu Ende war, half ich ihr hinunter, und sie trat ein wenig schwankend auf den schmutzigen Betonboden. Sie kicherte und schwang ihr Täschchen in fröhlichem Rhythmus - im Takt des verklungenen Walzers. Wir verließen die Scheune und gingen bis zum Ende des Piers. Sarah war entzückt von den riesigen Köderbottichen, in denen kleine Anchovis durcheinanderschwärmten, und fasziniert über die Wanne mit frischem Felsenbarsch, welche drei muskulöse, bärtige Fischer heranschleppten. Die rötlichen Fische lagen tot in einem großen Haufen. Das rasche Auftauchen vom Grund des Meeres hatte bei einigen von ihnen die Luftblasen platzen lassen, die ihnen jetzt schlapp aus den offenen Mäulern hingen. Krabben, so groß wie Bienen, krochen hinein und um die bewegungslosen Leiber der Fische herum. Möwen stießen herunter, um zu plündern, und wurden von den schwieligen braunen Händen der Fischer verscheucht.
Einer der Fischer, ein junger Bursche von höchstens achtzehn Jahren, sah, wie Sarah mit großen Augen auf die Fische starrte.
»Ziemlich scheußlich, was?«
»Ja.«
»Sag deinem Daddy, er soll dich, wenn er einen Tag frei hat, lieber an einen schöneren Platz führen.« Dazu lachte er. Sarah lächelte. Sie machte nicht den Versuch, ihn zu verbessern.
Jemand frittierte Krabben. Ich sah, wie Sarah schnupperte. »Hungrig?«
»Bißchen.« Sie
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