Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Schwierigkeiten, die »optimale Fürsorge‹ mit der täglichen Mühe zu verbinden, die erforderlich war, um die finanziellen Probleme der Einrichtung zu regeln. Aber selbst hier ließ er eine Erklärung folgen, die sein Verständnis für die ökonomischen Realitäten der achtziger Jahre und ein paar Lobgesänge auf das System der freien Marktwirtschaft betonten. Er war gut dressiert.
    Das Innere der hellrosa bemalten Nissenhütten wirkte kalt, ein ebenes Weiß über einem dunklen Bretterboden. Der Schlafsaal war leer, und unsere Schritte riefen ein Echo hervor. Die Kinderbetten waren metallene Doppelkojen, im Barackenstil übereinander angeordnet und rechtwinklig zur Wand aufgestellt, mit Schließfächern darunter und stählernen Regalen, die an die metallenen Seitenfronten geschraubt waren. Es gab Versuche, das Ganze etwas zu dekorieren - einige der Kinder hatten Bilder von Comic-Helden, Athleten oder Figuren aus der Sesamstraße aufgehängt-, doch das Fehlen jeglicher Familienbilder oder anderer Beweise enger menschlicher Beziehungen machte mich betroffen. Ich zählte Schlafplätze für fünfzig Kinder. »Wie können Sie so viele Kinder im Griff behalten?«
    »Es ist eine Herausforderung«, räumte er ein, »aber wir sind doch recht erfolgreich dabei. Wir haben freiwillige Berater von der Universität in Northridge und von anderen Colleges. Sie machen ihr Psychologie-Praktikum, und wir haben unbezahlte Helfer. Natürlich wäre uns ein vollberuflicher, ausgebildeter Stab von Leuten lieber, doch das ist finanziell nicht tragbar. Derzeit haben wir zwei Praktikanten pro Schlafhaus, und wir bringen ihnen bei, Modelle der Verhaltensforschung anzuwenden- ich hoffe, das verstößt nicht gegen Ihre Vorstellungen.«
    »Nicht, wenn sie ordentlich angewendet werden.«
    »Oh, das auf jeden Fall. Ich gebe Ihnen natürlich vollkommen recht. Aber wir spielen heftige Aversionen herunter, nutzen andererseits praktikable Gegebenheiten und die stets vorhandene positive Unterstützung. So etwas muß natürlich überwacht werden- und das ist der Punkt, wo ich ins Spiel komme.«
    »Sie scheinen die Dinge gut im Griff zu haben.«
    »Ich tue mein möglichstes.« Er zeigte ein geringschätziges Grinsen. »Eigentlich wollte ich promovieren, aber dann hat mir das nötige Kleingeld dazu gefehlt.«
    »Wo haben Sie denn studiert?«
    »An der Universität von Oregon. Ich hab’ dort meinen M. A. gemacht - in Erziehungsberatung. Davor den B. A. in Psychologie am Jedson College.«
    »Ich hätte gedacht, jeder, der am Jedson College studiert, muß sehr vermögend sein.« Das kleine College außerhalb von Seattle hatte einen Ruf als Zuflucht für die Sprößlinge der Reichen dieses Landes.
    »Das stimmt- beinahe.« Er grinste. »Es war fast wie ein vornehmer Country Club. Ich bin dank eines Sportstipendiums hingekommen. Leichtathletik und Baseball. Aber im vorletzten Studienjahr hab’ ich mir eine Sehne gerissen, und plötzlich war ich persona non grata.« Seine Augen verdüsterten sich momentan und schwelten bei der Erinnerung an eine schön fast begrabene Ungerechtigkeit. »Trotzdem, ich mag meine Arbeit hier. Sie gibt mir viel eigene Verantwortung und viele Entscheidungen, die ich zu treffen habe.« Es raschelte am anderen Ende des Raums. Wir wandten uns beide in die Richtung und sahen eine Bewegung unter der Decke von einer der unteren Schlafkojen. »Bist du das, Rodney?«
    Kruger ging zu der Koje und tippte gegen einen kleinen Körper. Ein Junge, der sich aufsetzte und die Decke bis ans Kinn hochzog. Er war dicklich, schwarz und sah wie ungefähr zwölf aus, aber sein genaues Alter war unmöglich zu schätzen, denn sein Gesicht trug die verräterischen Zeichen des Mongolismus: verlängertes Cranium, flache Gesichtszüge, tiefliegende Augen, dicht nebeneinander, hervortretende Brauen, tief angesetzte Ohren, offener Mund, eine hervorstehende Zunge - als Ausdruck der Verblüffung typisch bei behinderten Kindern.
    »Hallo, Rodney.« Kruger sprach leise auf ihn ein. »Was ist los?«
    Ich war ihm gefolgt, und der Junge schaute mich fragend an. »Schon gut, Rodney. Ein.Freund. Jetzt sag mir, was los ist.«
    »Rodney krank.« Die Worte waren verzerrt. »Was für eine Krankheit?«
    »Bauchweh.«
    »Hm. Dann muß dich der Doktor ansehen, wenn er seine Visite macht.«
    »Nein!« schrie der Junge. »Kein Docka.«
    »Na, komm schon, Rodney.« Kruger war geduldig. »Wenn du krank bist, mußt du dich untersuchen lassen.«
    »Kein Docka!«
    »Schon gut,

Weitere Kostenlose Bücher