Blackout - Kein Entrinnen
Klamotten hatte, machte das Anziehen um vieles einfacher als früher. Nicht dass ich mir früher sonderlich viele Gedanken darüber gemacht hatte, was ich anziehen sollte, aber wenn man zehn identische schwarze Hosen hat, dauert es manchmal ein paar Minuten, bis man weiß, welche davon sauber sind. Jetzt brauchten wir zum Anziehen nur die Hälfte der Zeit, die wir vor meinem Tod dafür hatten aufwenden müssen. Shaun ging zur Tür, wo er stehen blieb und mich betrachtete.
»Ich hatte es so satt, dass es in mir spukte«, sagte er. »Danke, dass du nach Hause gekommen bist.« Dann trat er auf den Korridor, ohne mir Gelegenheit für eine Erwiderung zu geben. Vielleicht war aber auch keine nötig. Ich folgte ihm nach draußen. Hinter mir fiel die Tür zu, und die Riegel rasteten mit einem Klicken ein.
Mahir, Maggie und Becks warteten bereits im Foyer und standen vor der Luftschleuse. Mahir wurde blass, als er mich sah. Es war, als hätte er einen Geist erblickt. Und in gewisser Weise war das ja auch so.
»Passt alles?«, fragte Maggie, als wir in Hörweite kamen.
»Wie angegossen«, sagte ich. »Selbst die Schuhe sind perfekt. Danke. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut es sich anfühlt, wieder richtig angezogen zu sein. Während ich unter Beobachtung stand, wollten sie mir nicht einmal einen BH geben!«
Maggie schauderte bei der Vorstellung einer solchen Demütigung. Becks beäugte mich, doch ihre Züge gaben nicht preis, was in ihrem Kopf vorging.
»Wir dachten, dass du dich vielleicht trotzdem noch nicht ganz angezogen fühlen würdest«, sagte Mahir, der sich wieder gefangen hatte. Er steckte die Hand in die Tasche und zog sie wieder heraus, die Finger um einen kleinen Gegenstand geschlossen. »Wenn du so freundlich wärst?«
Ich blinzelte ihn verständnislos an und streckte die Hand aus. Er ließ einen Ohrhörer hineinfallen.
Das kleine Gerät wog kaum sieben Gramm, aber es fühlte sich wie das schwerste und kostbarste Ding auf der ganzen Welt an. Ich hob die Hand zum Mund und war doppelt froh über den vertrauten Schutz meiner Sonnenbrille. So konnte niemand die Tränen in meinen Augen sehen.
»Oh Gott, Mahir, danke.« Energisch blinzelte ich die Tränen weg, doch weitere traten an ihre Stelle. »Vielen, vielen Dank.«
»Da sind nur drei Adressen drin«, sagte Becks, in deren Stimme noch immer Misstrauen schwang. »Wenn du einmal tippst, bekommst du Shaun, bei zweimal Mahir und bei dreimal mich. Versuche ja nicht, das Ding umzuprogrammieren. Die Steuerung hat ein eingebautes Warnsystem. Wenn du daran herumspielst, gibt es einen Kurzschluss, und wir bekommen eine Nachricht.«
»Ich denke nicht im Traum daran«, sagte ich. »Wirklich, vielen Dank. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet.«
Maggie lächelte. »Ich glaube, ich kann es mir vorstellen.«
Ich erwiderte das Lächeln und befestigte den Ohrstecker vorsichtig an der flachen Außenwölbung meines Ohrs. Es zwickte ein wenig und erinnerte mich an die Highschool, denn damals hatte ich angefangen, regelmäßig mobile Kommunikationsgeräte zu tragen. In der Eingewöhnungszeit hatte ich eine Woche lang Blasen und aufgescheuerte Hautstellen gehabt. Aber das hatte mich kein bisschen gestört.
»Wenn wir alle bereit sind, frohgemut unserem Verderben entgegenzuschreiten, sollten wir uns in Bewegung setzen«, sagte Mahir und riss den Blick von mir los. »Bestimmt wäre es unseren gütigen Gastgebern lieber, wenn das Verderben uns nicht so bald ereilen würde.«
»Du bist und bleibst ein Sonnenscheinchen, Mahir.« Shaun grinste. »Los geht’s.«
Joey,
was zum Teufel soll das heißen: »Danika hat dich kürzlich kontaktiert«? Danika war seit Jahren mit niemandem mehr in Kontakt! Sie befindet sich noch immer auf einer bescheuerten Safari im bescheuerten Dschungel und sucht nach einem Kräuterheilmittel gegen die wandelnden Toten. Im Ernst, in dieser Frau steckt derart viel Irrsinn auf einmal, dass man sie getrost eine wahnsinnige Singularität nennen kann. Hast du deinen Schwanz in die wahnsinnige Singularität gesteckt? Damit fängt man sich nämlich die wirklich abgefahrenen gesellschaftlichen Krankheiten.
Meine Koordinaten habe ich angehängt. Sie gelten die nächsten vier Tage. Danach verdünnisiere ich mich und versuche, uns in Sicherheit zu bringen. Da kommt etwas auf uns zu, mein Freund. Versuche, dich lange genug von der Verrückten loszueisen, um dem aus dem Weg zu gehen.
Aus einer E-Mail von Dr. Shannon Abbey an Dr.
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