Blackout - Kein Entrinnen
vielleicht wieder gesund wurde.
»Sir, Ma’am, Sie müssen mir nun folgen.« Ich sah den Sanitäter an, der mich am Arm hielt. Durch die Maske sah er uns streng an. »Ich verstehe Ihre Besorgnis, aber wir müssen diesen Bereich säubern und sterilisieren.«
Shaun bekam große Augen. »Unser Wagen …«
»Wird Ihnen übergeben, sobald er dekontaminiert wurde. Und nun bitte, Sir, Sie müssen beide mit mir kommen.«
Shaun und ich sahen uns an. Dann nickten wir beinahe gleichzeitig. »Na schön«, sagte ich. »Gehen wir und lassen uns dekontaminieren.«
Der Sanitäter führte uns aus der Garage und in das Haus. Als wir in die Luftschleuse traten, erschienen in der Decke Metalldüsen, die einen feinen Nebel versprühten. Der Geruch gelangte irgendwie durch die sich schließende Tür, und der typische verbrannte Geruch von Formalin kitzelte mich in der Nase. Ich erschauerte. Nichts Organisches würde diese Dusche überleben.
»Dann werden wir den Teppich mal wieder ersetzen müssen«, bemerkte Shaun.
Ich sah ihn verblüfft an, bevor ich leise loslachte. Ich konnte es nicht zurückhalten. Er sah so ernst und so wütend drein, als wäre das Ersetzen eines Teppichs das Schlimmste, was uns seit langer Zeit widerfahren war. Shaun blinzelte und sah ebenso verblüfft aus wie ich. Dann stimmte er in mein Lachen ein.
Wir lachten noch immer, als uns der Sanitäter aus der Luftschleuse hinaus und in das Klinikum führte. Hier erstarb mein Lachen nahezu schlagartig, und ich bekam Erstickungsgefühle. Weiße Wände. Weiße Decken. Weiße Böden. Auf einmal wirkten die Sanitäter hinter ihren Masken feindselig, als hätte die Seuchenschutzbehörde sie geschickt, um mich zurückzuholen.
»George?« Ich hörte Shauns Stimme wie von Weitem. »Alles okay mit dir?«
»Nicht so richtig«, antwortete ich. Ich wandte mich an den erstaunten Sanitäter, der uns hereingeführt hatte. »Haben Sie ein Zimmer mit etwas Farbe? Ich habe ein Problem mit Weiß.« Ich hätte mich am liebsten in einer Ecke zusammengerollt und geheult. Eine Phobie vor klinischen Einrichtungen. Das war ja mal ein lustiges neues Persönlichkeitsmerkmal.
Die Arbeit im Agora hatte den Mann wohl auf seltsame Wünsche von besser verdienenden Leuten vorbereitet – und zu denen gehörten wir, solange wir mit Maggie unterwegs waren. »Sehr wohl, hier lang, Miss«, sagte er und wandte sich um, um uns vom Zentrum der Betriebsamkeit wegzubringen. Kurz bedauerte ich, dass wir uns von den anderen trennen mussten, aber dann verdrängte ich diesen Gedanken. Der Sanitäter, den man für mich und Shaun abgestellt hatte, wurde für Maggies Pflege offenbar nicht gebraucht, sonst hätte er sich gar nicht erst um uns gekümmert. Wenn ich wegen der weißen Wände eine Panikattacke bekam, war auch niemandem geholfen.
Der Sanitäter brachte uns in einen kleineren Raum, dessen Wände in einem fröhlichen Gelb gestrichen waren und wo auf den Stühlen ebenso fröhliche blaue Polster lagen. Man musste uns nicht erst erklären, dass dies die Kinderabteilung war. Die Testeinheiten an den Wänden und das zweifach verstärkte Glas des in die Rückwand eingelassenen Beobachtungsfensters machten das nur allzu deutlich.
Seltsamerweise beruhigte mich das Fenster, anstatt meine Nerven erst recht zu strapazieren. Es war aus ganz normalem Glas, durch welches der Beobachtete den Beobachter ohne irgendeine Täuschung sehen konnte. Wäre es ein Spiegel gewesen, wäre ich wahrscheinlich durchgedreht.
»Falls Sie sich nun besser fühlen, Ma’am, Sir, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn ich mit dem Testvorgang beginnen dürfte.«
Shaun und ich tauschten einen Blick, und ich zuckte ein wenig zusammen, als mir das Blut auf seinem Hemd erst so richtig bewusst wurde. Maggie war zwar nicht tot gewesen, als sie ihn vollgeblutet hatte. Doch das hieß nicht, dass in ihrem Blut nicht womöglich aktive Viren kreisten.
»Bitte«, sagte ich.
»Klar«, sagte Shaun und klang eigentümlich gleichgültig. Ich runzelte die Stirn, worauf er mit den Lippen das Wort »später« formte und mich anlächelte, was mich wahrscheinlich beruhigen sollte.
Ich war nicht beruhigt.
Der Sanitäter zog zwei kleine Bluttesteinheiten hervor und entnahm damit Blutproben aus unseren Zeigefingern. Der Filtrationsprozess wurde von keinerlei blinkenden Lichtern begleitet. Stattdessen verstaute der Sanitäter die beiden Geräte in Plastiktüten mit der Aufschrift »Gefahr«, nickte so höflich wie ein Hotelpage, der nichts
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