Blackout - Kein Entrinnen
das Blatt zu mir deutete. »Sie haben uns eine Zeit lang ganz schön in Atem gehalten.«
Ich hatte ein ganzes Leben gehabt, um die hohe Kunst, mir Dinge nicht anmerken zu lassen, zu perfektionieren. Trotzdem erstarrte ich, als mein Blick auf Gregorys Klemmbrett fiel. Dort waren große Druckbuchstaben zu sehen, die eindeutig für mich bestimmt waren.
SIE SIND HIER NICHT SICHER.
Gregorys Miene schien mich förmlich anzuflehen, mir nichts anmerken zu lassen, als wüsste er, dass er ein Risiko einging, auch wenn er offenbar gedacht hatte, es sei der Mühe wert. Ich brachte einen ungerührten Gesichtsausdruck zustande, indem ich das Kinn ein wenig vorstreckte, um die unvermeidlich aufgerissenen Augen zu überspielen. In diesem Moment hätte ich für eine Sonnenbrille einen Mord begangen, wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte.
»Ich bin mir nicht sicher, ob Sie mir dafür die Schuld geben können. Eigentlich war ich da nämlich tot.«
Erleichterung machte sich auf Gregorys Gesicht breit. Er nickte, drehte sein Klemmbrett herum, als würde er etwas nachlesen, und sagte: »Das stimmt. Vor dem Gesetz waren Sie erst am Leben, als Sie anfingen, selbstständig zu atmen.«
»Das ist interessant. Wer darf diese spannende Entscheidung treffen?«
»Das ist Teil der internationalen Vereinbarungen über die Anwendung von Klonverfahren am Menschen für medizinische Zwecke«, erklärte Gregory, indem er eine weitere Seite umschlug. »Solange der Klon nicht ohne Beatmungsgerät atmen kann, gilt er nicht als lebendes Wesen. Dann ist er nur ein Stück Fleisch.«
»Dann dürfen Sie mich als Klon bezeichnen?«
»Dr. Thomas meinte, dass Sie von alleine zu diesem Schluss gekommen sind und dass wir Sie darin bestärken dürfen, falls das Thema angesprochen wird. Er sagte, dadurch würden Sie Zutrauen zu Ihrer eigenen Identität gewinnen.« Gregory schaute vom Klemmbrett auf und lächelte. »Vermutlich hat niemand geglaubt, dass Sie es so schnell herausfinden würden.«
»So bin ich eben. Stets enttäusche ich die Erwartungen«, sagte ich und bemühte mich, ungerührt zu klingen. Dieser Mann behauptete, ich wäre nicht sicher. Aber glaubte ich ihm? Durfte ich ihm vertrauen?
»Alles, was wir nun von Ihnen erwarten, ist, dass Sie sich erholen«, sagte Gregory mit jener ausdruckslosen Bestimmtheit, den ich von ärztlichen Respektspersonen seit meinem siebten Lebensjahr zu hören kriege. Er drehte das Klemmbrett herum und zeigte mir das zweite Blatt.
ICH GEHÖRE ZUM E-I-S. WIR BRINGEN SIE HIER HERAUS. MACHEN SIE WEITERHIN ALLES, WAS MAN VON IHNEN VERLANGT. ZIEHEN SIE KEINE AUFMERKSAMKEIT AUF SICH.
Ich nickte. »Ich werde mich bemühen«, sagte ich. Damit antwortete ich gleichzeitig auf das, was er laut gesagt, als auch auf das, was er geschrieben hatte. »Danke, dass Sie vorbeigeschaut haben.«
»Nun, Sie werden mich noch oft sehen. Ich bin einer Ihrer Nachtpfleger. Aber sind Sie sicher, dass ich Ihnen nichts bringen kann?«
»Im Moment nicht«, sagte ich, zögerte dann aber, weil mich der Gedanke, gleich wieder allein im Dunkeln zurückzubleiben, auf einmal in Schrecken versetzte. »Das heißt … Ich weiß nicht, ob Sie das für mich tun können, aber würden Sie das Licht wieder einschalten? Bitte? Wenn die Tür zu ist, wird es hier drin so finster, dass ich nicht weiß, ob ich wieder einschlafen kann.«
»Ich kann das Licht anschalten«, versicherte mir Gregory. »Ich kann es sogar auf halbe Helligkeit herunterdimmen, falls Sie das möchten, sodass Sie nicht bei blendender Beleuchtung einschlafen müssen.«
»Das wäre großartig«, sagte ich. Morgen würde ich versuchen, Dr. Thomas zu überreden, dass er mir eine Lampe gab.
»Wird gemacht, sobald ich zurück im Kontrollraum bin«, sagte Gregory und betonte unauffällig das »bald« in »sobald«. »Falls Sie doch noch einen Wunsch haben sollten, brauchen Sie es nur zu sagen. Die Überwachungsanlage benachrichtigt mich dann auf der Stelle.«
»Habe ich verstanden«, sagte ich und fühlte mich plötzlich erleichtert, dass ich nicht im Schlaf gesprochen hatte. »Es war nett, Sie kennenzulernen.«
»Ganz meinerseits, Miss Mason«, sagte Gregory. Ein letztes Mal drehte er sein Klemmbrett, um die Botschaft zu verbergen, und trat einen weiteren Schritt zurück. Fast augenblicklich glitt die Tür zu – zu schnell, als dass ich hinter ihm hätte hindurchschlüpfen können, selbst wenn ich es versucht hätte. Ich wurde wieder in Dunkelheit getaucht.
Ich blieb stehen, wo ich war,
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