Blackout - Kein Entrinnen
Ablauf müssen wir morgen ein paar spezielle Untersuchungen durchführen. Es gibt einige Fragen bezüglich Ihrer inneren Organe. Leider wird dies keine nichtinvasive Untersuchung sein, an die Sie sich ja bereits gewöhnt haben. Vielmehr kann sie ziemlich schmerzhaft werden, und aufgrund des gewünschten Datenmaterials ist es erforderlich, dass Sie dabei im wachen Zustand verbleiben.«
»Während Sie an meinen inneren Organen zugange sind?« Ich zog die Augenbrauen hoch. Dass mich die Vorstellung eines drohenden Nierenversagens so wenig beunruhigte, war ein Zeichen dafür, wie sehr mich die endlosen Untersuchungen schon abgestumpft hatten. »Machen meine Organe etwas, was sie nicht tun sollten?«
»Nein, nein, ganz und gar nicht. Wir wollen uns nur vergewissern, dass sie nicht irgendwann anfangen, etwas zu tun, was sie nicht tun sollen. Schließlich sind ihre Organe viel jünger, als sie aussehen, und es besteht stets die Gefahr eines biologischen Fehlers.«
»Mir bleibt im Grunde keine andere Wahl, oder?«
»Im Grunde nicht«, antwortete Dr. Thomas. »Ich hatte gehofft, Sie würden sich einverstanden erklären, da wir ja nur um Ihre Gesundheit besorgt sind.«
»Wenn ich mich nicht sträube, bekomme ich dann ein paar Bücher aus meiner Liste?«
»Ich werde zusehen, was sich machen lässt.«
»Und was ist mit dem Haarschnitt?«
Dr. Thomas schüttelte den Kopf. »Alles zu seiner Zeit, Georgia. Bis dahin drängen Sie mich bitte nicht. Während der nächsten zwölf Stunden dürfen Sie keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen, und morgen früh werden wir Proben von Ihrem Gewebe und Ihren Körperflüssigkeiten nehmen.«
Das war einer der ersten Hinweise auf die tatsächliche Uhrzeit. Das machte mich ein wenig munterer. »Wenn die Untersuchung morgens durchgeführt wird, dann haben wir jetzt was? Vier Uhr nachmittags? Fünf?«
»Drängen Sie mich nicht«, wiederholte Dr. Thomas und zog zwei durchsichtige Plastikhandschellen aus seiner Tasche. »Es ist Zeit für die heutige Untersuchung.«
»Das ist ja nun wirklich nicht nötig«, beschwerte ich mich und hielt ihm meine Handgelenke hin.
»Wir müssen hoffentlich nicht mehr lange so weitermachen.« Dr. Thomas schloss die Handschellen und achtete dabei darauf, dass er meine Haut nicht berührte. Wenn es sich irgend vermeiden ließ, berührte er mich nicht. Die wenigen Male, als mir ein »Versehen« passiert war und ich ihn mit bloßer Hand angefasst hatte, war er so heftig zurückgezuckt, dass er sich wehgetan hatte. Das war lustig, aber es brachte mir nichts, vor allem weil ich ihn noch davon überzeugen musste, dass ich harmlos war.
»Das wäre schön«, sagte ich, stand auf und hielt einen Moment inne, weil die Gummisohlen meiner Socken auf den Bodenkacheln hafteten. Schuhe, ja selbst Pantoffeln wären mir lieber gewesen, aber die Pfleger, die mir die Kleider brachten, wollten mir nichts anderes als Socken geben. Immerhin konnte ich mit den Gummisohlen besser laufen, solange mir die Hände gebunden waren.
Erst als sie mich zum dritten Mal aus meiner Zelle gelassen hatten, waren die Handschellen ins Spiel gekommen. Seither waren sie jedes Mal dabei. Wenn ich mein Zimmer verließ und anderswohin als auf die Toilette ging, kamen die Handschellen mit. Vermutlich wollte derjenige, der für meine Behandlung verantwortlich war – und Dr. Thomas war es nicht; wäre er für mich verantwortlich gewesen, hätte er sich nicht mehr in meine Nähe getraut –, sicherstellen, dass ich keinen waghalsigen Fluchtversuch anstellte. Mir war nicht klar, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte, weil sie mich für so einfallsreich hielten, oder ob ich es als Beleidigung auffassen sollte, dass sie glaubten, mich mit Handschellen aufhalten zu können. Über solche Dinge konnte ich dieser Tage ausgiebig nachdenken. So ist das bei Einzelhaft, die nur hin und wieder durch aufgezwungene medizinische Tests unterbrochen wird.
Im Korridor warteten die Wärter. Ich erkannte sie beide. Das war nicht überraschend, sondern in gewisser Weise beruhigend. Denn wenn ich die Wachen auf Anhieb erkannte, bedeutete das, dass sie hier nicht über eine endlose Zahl an Wachleuten verfügten. Irgendwann würden sie anfangen, in mir weniger ein Versuchskaninchen als ein menschliches Wesen zu erblicken, und das würde es leichter machen, wenn der Tag meiner Flucht schließlich gekommen war. Vorausgesetzt, ich krepierte nicht vorher an spontaner Virenvermehrung oder einem Organversagen. Und ebenfalls
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