Blackout - Kein Entrinnen
derjenige, der das Ganze leitete, niemals selbst die Geräte bediente. Geräte zu bedienen war unter der Würde von jemandem, der die Untersuchungen am lebendigen Klon einer verstorbenen Journalistin überwachte. Auch diesmal war es so. Kaum ging die Tür hinter uns zu, öffnete sich auf der gegenüberliegenden Seite eine zweite, die in ein winziges Büro führte. Eine hochgewachsene Frau von nordischem Aussehen und mit eisblondem, zu einem Dutt zusammengebundenem Haar trat aus dem Büro heraus und lächelte uns frostig an.
Sie war schön, aber ihre Ausstrahlung sagte: »Fass mich an, und du kriegst Frostbeulen.« Ihr Laborkittel war zwar weiß, doch sie trug dazu eine unanständig rote Seidenbluse von derselben Farbe, die das rote Licht der Bluttesteinheiten hat und dazu passende Schuhe. Trotz ihrer hohen Absätze beneidete ich sie um die Schuhe. Ich hasse hohe Absätze, aber darüber hätte ich hinweggesehen, wenn ich richtige Schuhe gehabt hätte. Zudem kann man die Absätze bestens als Waffen einsetzen, wenn es hart auf hart kommt. Dann ist man zwar gleich wieder barfuß, aber wenigstens hält man eine Waffe in der Hand.
»Ah, Dr. Thomas«, sagte sie zu meinem Begleiter, obwohl ihr Blick auf mir ruhte. »Sie kommen gerade recht. Danke, dass Sie mir die Probandin gebracht haben.«
»Das ist nicht der Rede wert, Dr. Shaw. Falls ich etwas tun kann, um Ihnen zu assistieren …«
»Es gibt nichts, wobei Sie mir helfen könnten«, sagte sie und sah ihn immer noch nicht an. Stattdessen musterte sie begierig mein Gesicht, als stünde darin die Antwort auf eine Frage geschrieben, die sie mir noch nicht verraten hatte. »Ich werde Sie rufen lassen, wenn sie wieder in ihre Zelle gebracht werden kann. Danke.«
»Dr. Shaw, ich bin mir nicht sicher, ob …«
Als ihr Blick sich zum ersten Mal von mir löste, blitzte Ärger in ihren Augen auf. »Ich muss hier Tests durchführen, Dr. Thomas, und wie Sie zur Genüge klargestellt haben, müssen wir einem straffen Zeitplan folgen. Deshalb musste ich einige aberwitzige Hürden nehmen, um auch nur für diese kurze Zeit auf die Probandin zugreifen zu können. Ich weigere mich, auch nur eine Sekunde meiner spärlich bemessenen Zeit zu opfern, um Ihnen meine Gerätschaften zu erklären. Sie können gehen, und nehmen Sie ihre dressierten Affen mit. Ich schicke meine Assistentin zu Ihnen, wenn die Patientin wieder Ihrer Obhut übergeben werden kann.«
Dr. Thomas zögerte und wirkte, als wollte er widersprechen. Dr. Shaw kniff ganz leicht ihre Augen zusammen und machte einen halben Schritt auf ihn zu. Ihr Absatz traf mit einem Klacken auf dem Boden auf, als würde man einen Bleistift auseinanderbrechen.
Anscheinend war die Sache damit entschieden. »Georgia, Dr. Shaw wird sich Ihrer nun annehmen«, sagte er. »Zeigen Sie sich kooperativ, was immer sie von Ihnen will.« Er wandte sich um und ging schnell hinaus, wobei er den Wärtern winkte, ihm zu folgen. Mit unsicheren Blicken folgten sie seiner Aufforderung.
Dr. Shaw wartete, bis die Tür wieder zu war, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf mich richtete. In ihrem Ausdruck lag etwas, was mich zurückzucken ließ. Das ärgerte mich. Ich richtete mich auf, kniff die Augen zusammen und erwiderte ihren starren Blick.
Schließlich und zu meiner Überraschung lachte sie. »Oh, sehr gut! Sie haben Sie also wirklich zurückgeholt, was? Oder zumindest so gut wie, nehme ich an. Wenn Sie so freundlich wären, hinter diesen Schirm zu treten und sich auszuziehen, damit wir anfangen können?«
»Tut mir leid, das kann ich nicht.« Ich streckte ihr meine Hände entgegen und zeigte ihr die Handschellen. »Ich bin eine zu große Gefahr, als dass man mich ohne Fesseln herumlaufen lassen könnte.«
»Ich verstehe.« Dr. Shaw griff in ihre Tasche und zog einen Schlüssel heraus. Mein erstaunter Gesichtsausdruck entlockte ihr ein Lächeln. »Das sind die Standardhandschellen des Seuchenschutzes, um störrische Insassen im Zaum zu halten. Sonst müssten wir ja jedes Mal, wenn der behandelnde Arzt nicht da ist und die Handschellen entfernt werden müssen, den Schlüsseldienst kommen lassen.«
Ich hielt still, während sie mich von den Fesseln befreite. Ich wartete, bis die Handschellen in ihrer Tasche verschwunden waren, bevor ich fragte: »Fesselt die Seuchenschutzbehörde ihre Patienten öfter?«
»Nur die potenziell gefährlichen.« Ihre Belustigung schwand so schnell, wie sie gekommen war. »Nun, bitte. Hinter den Schirm, und ziehen Sie sich aus.
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