BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Elsberg, M: BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Gummisohlen, wie sie in den gegenüberliegenden Raum gingen.
Vorsichtig lugte er um die Ecke. Da die beiden Taschenlampen dabeihatten, konnte er sehen, wie sie vor das Bett der Alten traten. Die Ärztin, groß, schlank und mit schulterlangem Haar, legte ihre Taschenlampe auf dem Bett ab, sodass das Licht an die Wand geworfen wurde. Der Pfleger, kleiner als sie und von sehr zarter Gestalt, setzte sich an den Bettrand, nahm die dünne Hand des Patienten in seine und begann sie zu streicheln. Währenddessen zog die Ärztin eine Spritze auf. Sie löste den Schlauch vom Infusionsbeutel, steckte ihn auf die Spitze der Spritze und drückte das Mittel hinein. Dann schloss sie den Schlauch wieder an den Beutel an. Der Pfleger streichelte weiterhin die Hand. Die Ärztin beugte sich über die Patientin und strich ihr über das Gesicht, immer wieder. Dabei flüsterte sie etwas, das Manzano nicht verstand. Manzano konnte seinen Blick nicht abwenden. Er stand da, als wäre das Blut in seinen Adern gefroren, unfähig, sich zu bewegen.
»Ich brauche die Leute«, beharrte Hartlandt. Vergeblich hatten er und Pohlen das Umfeld des Krankenhauses abgesucht. Jetzt standen sie im Büro des Düsseldorfer Polizeipräsidenten drei Männern gegenüber, die offensichtlich seit Tagen kaum geschlafen hatten.
»Wir brauchen sie auch«, widersprach der Polizeipräsident höchstpersönlich. »Sie wissen ja, was da draußen los ist.«
»Der Mann, den wir suchen, ist vielleicht dafür mitverantwortlich«, erklärte Hartlandt mit Nachdruck.
Der Polizeipräsident stöhnte. Er griff nach einem Funkgerät auf seinem Schreibtisch. Drückte einen Knopf, sprach grußlos in das Mikrofon: »Ist Deckert schon wieder da?«
Eine krächzende Stimme in dem Gerät bejahte.
»Kommen Sie mit«, sagte der Präsident.
Hartlandt und Pohlen folgten ihm durch Flure, die von der Notbeleuchtung nur schwach erhellt wurden. In einigen Büros, an denen sie vorbeikamen, saßen Beamte. Aus anderen hörten sie Stimmen. Sie überquerten einen kalten Hof und betraten einen großen Raum, wo sie ein Trupp von acht Uniformierten erwartete. Hartlandt entdeckte vier Schäferhunde.
Der Polizeipräsident stellte Hartlandt einen durchtrainierten Mittvierziger vor.
»Karsten Deckert, Leiter unserer Hundestaffel.«
Hartlandt erläuterte ihm, was er brauchte.
»Wir wollten gerade Pause machen«, entgegnete Deckert. »Meine Männer sind seit achtundvierzig Stunden auf den Beinen. Die Hunde auch.«
»Ich fürchte, das muss warten«, erwiderte Hartlandt. »Wir müssen in das Krankenhaus.«
Die Ärztin richtete sich auf und bedankte sich beim Pfleger.
Er nickte wortlos, ohne die Hand der Toten loszulassen.
Sie hob ihre Taschenlampe auf, und für einen Moment traf der Lichtstrahl genau Manzanos Gesicht.
Manzano zuckte zurück, hoffte, dass sie ihn nicht gesehen hatten. Drüben hörte er ein Flüstern, dann Schritte in seine Richtung.
Grelles Licht blendete ihn, er musste die Augen schließen.
»Wer sind Sie?« Die Stimme des Pflegers überschlug sich fast. »Was machen Sie hier?«
Manzano öffnete die Augen einen Spalt, hielt sich die Hand vors Gesicht und stammelte: » The Light. Please. «
»Sie sprechen Englisch?«, fragte die Ärztin in derselben Sprache.
»Was machen Sie hier? Woher kommen Sie?«
» Italy «, erwiderte er. Sie brauchten nicht zu wissen, dass er leidlich Deutsch verstand und ihre Gespräche belauscht hatte.
Die Ärztin fixierte Manzano.
»Sie haben uns gesehen, nicht wahr?«
Manzano erwiderte ihren Blick, dann nickte er.
»Ich glaube, dass Sie das Richtige tun«, flüsterte er auf Englisch.
Die Ärztin starrte ihn weiterhin an, Manzano hielt ihrem Blick stand.
Nach einigen Sekunden brach die Medizinerin das Schweigen: »Dann verschwinden Sie. Oder helfen Sie diesen Menschen.«
Manzano schwankte. War das wirklich Hilfe? Er war sich bewusst, dass er den medizinischen Zustand der Betroffenen nicht beurteilen konnte. Da musste er sich auf die Expertise der Frau Doktor verlassen. Aber was war mit der moralischen Verantwortung? Manzano hatte zum Thema Sterbehilfe eine klare Meinung. Auch für sich selbst hätte er sich keine künstliche Verlängerung von Lebensfunktionen seines Körpers ohne Bewusstsein gewünscht. Auch wenn ihm klar war, wie schwierig es war, genau diesen Zustand endgültig festzustellen. War in diesem leblosen Körper doch noch etwas wie ein Ich? Und wenn, was wollte es? Leben? Sich verabschieden? Oder auch nur die Fähigkeit, die
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