Blade Runner Ubik Marsianischer Zeitsturz
wäre sie gewaltig verärgert, und zwar über sich selbst.
Seltsam, dachte er, sollte sie noch nie etwas vom berühmtesten Fernsehkomiker der Welt gehört haben?
»Woher kommen Sie eigentlich?«, fragte er neugierig.
»Das dürfte doch wohl keine Rolle spielen!« Sie sah rasch zu ihm auf. Dabei schien sie etwas zu bemerken, was sie beschwichtigte. Sie entspannte sich sichtlich. »Ich werde mich sehr über Ihre Gesellschaft freuen â aber erst später, wenn ich richtig eingezogen bin. Im Augenblick geht das natürlich absolut nicht.«
»Und warum nicht?« Er war verblüfft. Alles an ihr verwirrte ihn. Vielleicht habe ich hier zu lange alleine gelebt, dachte er. Ich bin seltsam geworden; Spatzenhirne sind so, sagt man. Bei dem Gedanken fühlte er sich noch tollpatschiger als zuvor. »Ich könnte Ihnen beim Auspacken helfen«, bot er an. Die Aussichten waren schlecht. »Und Ihre Möbel â¦Â«
»Ich habe keine Möbel«, sagte das Mädchen. »Die Sachen waren alle schon hier.« Sie deutete hinter sich.
»Mit denen gehtâs doch nicht«, sagte Isidore. Das sah er auf den ersten Blick. Die Stühle, der Teppich, die Tische â alles zerbrochen, ruiniert, angenagt vom unerbittlichen Zahn der Zeit und der Verlassenheit. In dieser Wohnung hatte seit Jahren niemand mehr gelebt, der Zerfall war fast vollständig. Er konnte sich nicht vorstellen, wie das Mädchen in dieser Umgebung leben wollte.
»Hören Sie«, sagte er ernsthaft, »wenn wir durchs ganze Haus gehen, finden wir vermutlich noch ein paar Sachen, die nicht so mitgenommen sind. Eine Lampe aus dieser Wohnung, einen Tisch aus jener.«
»Das mache ich schon selbst, danke!«
»Sie wollen diese Wohnungen ganz allein betreten?« Er konnte es nicht fassen.
»Warum denn nicht?« Sie zuckte erneut nervös zusammen und verzog das Gesicht, weil sie merkte, dass sie etwas Falsches gesagt hatte.
Isidore antwortete: »Ich habâs probiert. Einmal nur. Seitdem komme ich nach Hause, gehe gleich in meine Wohnung und denke nie über den Rest des Hauses nach. Wohnungen, in denen keiner lebt, Hunderte davon, alle voll mit Sachen anderer Leute, Familienfotografien, Kleider und dergleichen. Jene, die gestorben sind, konnten nichts mitnehmen, und jene, die auswanderten, wollten es nicht. Dieses Gebäude ist bis auf meine Wohnung völlig vermüllt.«
»Vermüllt?« Sie verstand das Wort nicht.
»Müll, das sind nutzlos gewordene Gegenstände wie Wurfsendungen oder Zündholzschachteln, nachdem das letzte Streichholz aufgebraucht ist, oder Gummibänder. Wenn niemand aufpasst, vermehrt sich der Müll ganz von selbst. Wenn Sie beispielsweise schlafen gehen und Müll in Ihrer Wohnung herumliegen lassen, dann ist am Morgen, wenn Sie wieder aufwachen, doppelt so viel da. Es wird immer mehr und mehr.«
»Aha.« Das Mädchen sah ihn unsicher an und wusste offenbar nicht recht, ob sie ihm glauben sollte oder nicht, ob er es wirklich ernst meinte.
»Es gibt hier das Oberste Müll-Gesetz«, sagte er. »âºMüll verdrängt Nichtmüll.â¹ Wie Greshams Gesetz über minderwertiges Geld. In diesen Wohnungen gibt es niemanden, der gegen den Müll kämpft.«
»Und so hat er völlig überhandgenommen«, fügte sie bei und nickte. »Jetzt verstehe ich.«
Er erklärte: »Die Wohnung, die Sie sich da ausgesucht haben, ist so vermüllt, dass sie unbewohnbar geworden ist. Aber wir können den Müllfaktor umkehren â wie gesagt, wir durchsuchen die anderen Wohnungen. Aber â¦Â« Er brach ab.
»Aber was?«
»Aber gewinnen können wir trotzdem nicht«, sagte Isidore.
»Warum nicht?« Sie trat hinaus auf den Flur, schloss die Tür hinter sich und verschränkte die Arme schamhaft vor ihren kleinen, festen Brüsten. So stand sie vor ihm und bemühte sich, ihn zu verstehen. Jedenfalls erweckte sie diesen Eindruck. Und sie hörte ihm wenigstens zu.
»Weil man gegen Müll nicht gewinnen kann«, sagte er, »auÃer vielleicht vorübergehend und lokal begrenzt. In meiner Wohnung beispielsweise habe ich momentan eine Art
Ausgleich geschaffen zwischen dem Druck von Müll und Nichtmüll. Aber irgendwann werde ich sterben oder weggehen, und dann wird der Müll wieder die Oberhand haben. Das ist ein allgemeines Gesetz, das im ganzen Kosmos gilt. Das ganze
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