Blanche - Die Versuchung
verfügten über bessere Instinkte. Sie hatten ihr nur einen Blick zugeworfen, und innerhalb einer Millisekunde von ultracool auf Welpe umgeschaltet. Clever, die Kleinen.
Enzos Sohn bemerkte weder die Beulen unter ihrem schwarzen Lederma n tel noch den Blick der Löwin, die ihre Beute in Augenschein nahm. Bevor einer seiner Freunde reagieren konnte, hatte sie den Bengel an seinem T Shirt in die Höhe gehievt und drückte ihn gegen den überdimensionalen Bildschirm. Langsam zog sie ihr Fred Perrin aus der Jackentasche und hielt es ihm demonstrativ vors Gesicht, damit er es genau betrachten konnte. Im Raum war es mucksmäuschenstill geworden.
„Hör mir gut zu, du kleiner Pisser“, sagte Blanche so leise, dass nur der Junge es hören konnte. „Entweder, du lernst im Schnellkurs , dich zu b e nehmen, oder ich schneide dir hier und jetzt ein Ei ab.“ Enzo J unior riss die Augen auf und gab ein krächzendes Geräusch von sich. „Das merkt kein Schwein“, fuhr sie im Flüsterton fort, „auch nicht dein papino.“ Langsam wanderte das Messer in tiefere Regionen. „Du brauchst sowieso keine zwei, das e ine würdest du nicht mal vermissen.“
Zwei Bodyguards betraten den Raum, einer räusperte sich, doch Blanche beachtete sie nicht. Vielleicht versuchte er auch nur , ein Lachen zu kaschi e ren. Wer weiß, wie vielen Leuten diese Töle den ganzen Tag auf den Sack ging.
„Also, was sagst zu dazu? Wirst du dir ein paar Umgangsformen zulegen, und Nella in Zukunft mit Respekt behandeln, oder soll ich ein bisschen nachhelfen?“
Enzos Sohn nickte wild, was sie als Zustimmung deutete. Dennoch, sicher war sicher.
„Dann sag es.“
„J-ja, das werde ich.“
Na also, geht doch. Vorsichtig ließ sie ihn los und stellte ihn z u rück auf den Boden. Das Messer war wie durch Zauberhand verschwunden. „G u tes Gespräch“, sagte sie, klopfte ihm auf die Schulter und trat einen Schritt z u rück.
Als sie die beiden Aufpasser ins Auge fasste , nickte einer zum Raum, aus dem sie gekommen war. „Du hast Besuch.“ Dann wandte er den Kopf und sagte zu K lein - Enzo, der noch immer blass wirkte : „Dein Vater will dich sehen.“ Als er nicht reagierte , ergänzte er: „Sofort.“ Ohne seinen Komme n tar abzuwarten , legte er dem Jungen eine riesige Pranke auf die Schulter, und führte ihn auf den Flur.
„Da ist ja unsere Heldin“, begrüßte Camille sie, als sie zurück in den Salon ging. Sie lümmelte im Sessel, die Stiefel lagen überkreuzt auf dem Mahagon i tisch. „Leonie , der Kinderschreck. Gibt dir das einen Kick , Z wölfjährigen zu drohen , ihnen die Eier abzuschneiden?“
„Er ist vierzehn und ein verzogenes Arschloch. Noch ist er ein kleines , verzogenes Arschloch, aber wie alle Arschlöcher wird er wachsen. Und er wird sein Maul aufrei ß en, andere rumschubsen und schikanieren. Das Tra u rige daran ist, dass er denkt, das wäre in Ordnung, weil es hier niemanden gibt, mit dem er sich messen kann. Denn jeder in diesem Bunker hat die Hosen vor seinem Vater voll, deshalb kann dieser kleine Idiot tun und la s sen, was er will. In einer öffentlichen Schule wäre dieser Kotzbrocken inne r halb von drei Minuten Hackfleisch.“
„Na, dann Glückwunsch zu deinen Erziehungsmethoden. Jetzt wird er b e stimmt mächtig Respekt vor Nella haben, denn ein Messer ist zweifellos ein bestechendes Argument. Was glaubst du , hat er daraus gelernt, hm?“
„Ich spreche die Sprache , die er versteht . “ Blanche massierte sich die Schläfen. Wer war Camille, Mutter Theresa, oder was?
„Glaubst du, ja? Und du kennst ihn jetzt … wie lange, um das beurteilen zu können?“ Die Frage hing wie eine Herausforderung in der Luft.
„Ich kenne genug Großkotze, die sind nicht so kompliziert. Außerdem ist es ein Anfang. Was Nella daraus macht, ist ihre Sache.“
Camille verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Ich würde s a gen, dass es überhaupt ihre Sache ist – was misch s t du dich ein?“
Gute Frage. „Sie ist meine Freundin.“ Auf eine seltsame, schräge Art.
Darauf hob Camille eine Braue. Wenn sie vorhatte , ihr einen Vortrag über Freundschaften zu halten, und dass diese von Vertrauen lebten, konnte sie sich von ihrem schiefen Schneidezahn verabschieden. Blanche wa r so was von nicht in der Stimmung für diesen Scheiß. Gewalt war keine angemessene Erziehungsmethode, aber sie war unheimlich praktisch und führte schnell zum Ziel. Zmindest hatte sie das immer angenommen, denn damit war sie
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