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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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nicht annähernd begreifen, besaß aber ausreichend Fantasie, um zu erkennen, dass er die Befriedigung dieser Bedürfnisse jetzt dringender brauchte als je zuvor, um mit der traurigen neuen Welt, in der sie beide lebten, besser zurechtzukommen – ein dunkler Kanal, durch den er wenigstens einen kleinen Teil seiner aufgestauten Qualen und Schmerzen freisetzen konnte.
    Also hatte Lizzie sich bereit erklärt, es zu versuchen. Sie hatte beinahe vergessen gehabt, wie abstoßend, wie völlig anders dieser andere Christopher war. Manchmal verachtete sie sich selbst, wenn sie mit ihm im Bett lag und er Dinge mit ihr tat, die sie sich geschworen hatte nie wieder zuzulassen. Dann aber zwang sie sich, daran zu denken, was ihrem Sohn bevorstand, und der Hass auf sich selbst und ihre Schmerzen verschwanden im Nichts.
    Ich bin nicht wichtig, sagte sie sich. Nicht mehr.
    Bei Tageslicht verstaute sie dann alle Erinnerungen an die Nacht, an die Schmerzen und Erniedrigungen in die unterste Schublade ihrer Emotionen – wohl wissend, was sie tat. Sie verachtete Christopher nicht mehr. Stattdessen erkannte sie immer wieder, weshalb sie sich in ihn verliebt hatte und wie viel aufrichtige Güte und Kraft in ihm waren. Es war so, wie er 89
    gesagt hatte, als er ihr seine eigene Krankheit zum ersten Mal eingestand: Seine guten Eigenschaften überwogen seine Schwächen.
    Und abgesehen davon vergötterte Jack ihn.
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    14.
    bwohl Shad Tower wahrscheinlich einer der historisch O unbedeutendsten und am wenigsten eindrucksvollen Bauten am Flussufer um Butler’s Wharf darstellte, war er zugleich – das musste Helen Shipley sich eingestehen, als sie dem Portier ihren Namen nannte – das glamouröseste Apartmenthaus, das sie je betreten hatte.
    Als Robin Allbeury sie gestern Nachmittag angerufen hatte, um sie über seine Rückkehr aus Brüssel zu informieren, hatte er mit seiner tiefen, sanften Stimme zugleich angeboten, sich schon am nächsten Tag, zu einer Uhrzeit ihrer Wahl, mit ihr zu treffen.
    Helen hatte daraufhin ihre eigenen Pläne für den Samstagmorgen (einkaufen, Waschsalon und saugen) nur zu gern aufgegeben und sich gleich nach dem Aufstehen auf den Weg in den Süden der Stadt gemacht, wo das fünfzehnstöckige Gebäude nahe der Tower Bridge in die Höhe ragte.
    Keine Vorurteile, versuchte sie sich bei ihrer Ankunft zu sagen, doch es fiel ihr schwer, in dieser marmornen, mit kostbaren Teppichen ausgelegten Lobby unvoreingenommen zu bleiben. Oder in dem fast lautlos in die Höhe gleitenden Fahrstuhl, ausgestattet mit Bildtelefonanlage und Kameras – ein Lift, der nur für die Wohnung eines Mannes da war. Ganz zu schweigen von dem Augenblick, als sie diese Wohnung betrat.
    Helens eigenes Apartment lag im ersten Stock eines fahrstuhllosen Hauses und wurde, wenn der Wind aus Norden kam, vom Geruch nach ranzigen Fish and Chips erfüllt; erst vor kurzem war sie dazu gekommen, das Linoleum im Badezimmer mit einem Schnäppchen aus dem örtlichen Teppich-Ausverkauf zu bedecken. Dennoch – wenn sie die Wohnungstür hinter sich schloss, umgab sie ein echtes Gefühl von Privatsphäre und Individualität.
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    Wie konnte jemand sich hier richtig heimisch fühlen?
    »Nett von Ihnen, dass Sie den Weg hierher auf sich genommen haben.« Ein leger gekleideter Robin Allbeury erwartete sie mit ausgestreckter Hand vor dem Lift.
    »Nett von Ihnen, dass Sie sich so schnell gemeldet haben.«
    Helen sah dem Anwalt in die Augen und wurde sich schlagartig des vergleichsweise minderwertigen Schnitts ihres Hosenanzugs bewusst, in dem sie sich zu Anfang des Tages noch ziemlich schick gefühlt hatte. Dann ließ sie den Blick bewusst zurück zu den wundervollen Blumen und den überwältigenden Kunst-werken in seiner Diele wandern.
    »Nicht Ihr Geschmack«, bemerkte Allbeury scharfsinnig.
    »Eine Tasse Tee wäre nach meinem Geschmack«, konterte Helen.
    »Kommt sofort«, sagte der Anwalt. Dann bat er sie, in seinem Wohnzimmer Platz zu nehmen, und verschwand, offenbar, um den Tee selbst zu kochen.
    »Scheiße«, flüsterte Helen vor sich hin, als sie sich im Wohnzimmer umsah.
    Der Raum selbst war faszinierend möbliert; er war eine Mischung aus östlichen und europäischen Stilelementen, doch die Hauptattraktion der Wohnung war eindeutig der Blick auf den Fluss und die dahinter liegenden Stadtteile. Glastüren, die von einer Wand zur anderen reichten, öffneten sich zu einer riesigen Terrasse, und sowohl drinnen wie auch draußen standen große, dekorative

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