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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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Lizzie zu Susan Blake, als sie an jenem ersten Abend beim Essen saßen. »Genau in dem Augenblick, als ich nicht mehr darauf angewiesen war, dass ein Buch von mir veröffentlicht wird, als ich genug Geld hatte … und zwei Kinder … kam Vicuna.«
    »Aber du bist doch froh, dass wir gekommen sind?«, fragte Susan.
    »O ja«, antwortete Lizzie.
    118

    Jetzt, Jahre später, als sie beim Mittagessen im Isola in Knightsbridge saßen, sprachen Susan und Lizzie über die Pläne für die Roadshow -Tour.
    »Geht es dir gut?«, fragte Susan. Die beiden Frauen warteten auf ihren Kaffee, nachdem Susan italienischen Käsekuchen mit Wildbeerensauce verschlungen und Lizzie in ihrem Dessert herumgestochert hatte.
    »Bestens«, sagte Lizzie. »Nur zu satt, um noch mehr zu essen.«
    »Du wirkst ein bisschen niedergeschlagen.« Die Verlegerin musterte sie immer noch.
    Lizzie hob ihr Weinglas und blickte sich in dem voll besetzten, feudalen Restaurant um. »Ach was, überhaupt nicht«, sagte sie.
    »Ich bin nur nervös wegen des Projekts, schätze ich.«
    »Das verstehe ich«, sagte Susan.
    »Ehrlich?«
    »Sicher. Es ist eine sehr große Sache.« Susan hielt kurz inne.
    »Du machst dir doch keine Sorgen, wie die Kinder damit zurechtkommen? Nicht, wenn Christopher alles für sie organisiert?«
    »Natürlich nicht«, sagte Lizzie leise.
    Susan lächelte. »Er ist ein außergewöhnlicher Mann.«
    »Ja, das ist er«, sagte Lizzie.

    »Was ist, Mom?«, fragte Jack sie später, als sie Würstchen im Schlafrock machte.
    »Nichts, Schatz«, antwortete sie.
    Edward war in seinem Zimmer und machte Hausaufgaben, Sophie lag im Bett, und Christopher, der morgen früh im Beauchamp operieren sollte, verbrachte die Nacht in Holland Park. Gilly hatte noch gewartet, bis Lizzie zurückkam, und war 119
    dann in drei freie Tage entschwunden. Lizzie war das ganz recht, denn sie wünschte sich im Augenblick nichts sehnlicher als ein paar Tage Normalität mit den Kindern.
    »Du benimmst dich ein bisschen seltsam«, sagte Jack.
    Lizzie sah ihn an – ihr geliebtes mittleres Kind, das seinem Vater so ähnlich sah. Jacks Haare hatten die gleiche Farbe wie Christophers, und seine Augen besaßen dasselbe Grau, waren aber viel sanfter als die seines Vaters. Sogar sein Lächeln war fast dasselbe. Und Jack lächelte sehr häufig, trotz seiner Krankheit.
    Dabei war sein Leiden nichts im Vergleich zu dem, was ihn mit ziemlicher Sicherheit noch erwartete. Jack hatte bereits Beinschienen und Krücken ertragen und wieder ausrangieren müssen; in absehbarer Zeit würde er auch nicht mehr in der Lage sein, seinen manuellen Rollstuhl zu bewegen, und einen elektrischen bekommen. Jack wusste darüber Bescheid, riss sogar Scherze über das Thema.
    Er wusste noch ganz andere Dinge – viel mehr, als seinen Eltern recht war, die ihn gern so lange wie möglich beschützt hätten. Jack hatte die Informationen über seinen Computer erhalten – auf die gleiche Weise, wie Lizzie ihr eigenes Wissen ergänzt hatte. Fakten und Details, die ihr Albträume verursachten, die sie nicht nur im Schlaf, sondern auch tagsüber peinigten und quälten.
    Sie fragte sich manchmal, was gewesen wäre, wenn ihre Großeltern mütterlicherseits nicht beschlossen hätten, das Geheimnis der Krankheit gemeinsam mit Angelas Bruder zu begraben – wenn sie in dem Wissen um die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung aufgewachsen und darauf untersucht worden wäre. Gäbe es dann vielleicht keinen Edward und keine Sophie, die Gott sei Dank beide gesund und kräftig waren?
    Keinen Jack?
    Wäre das denn besser gewesen? Diese Frage stellten sich 120
    Lizzie, Christopher und Angela immer wieder, so sinnlos und quälend sie auch war.
    Für mich wäre es nicht besser, lautete Lizzies Antwort jedes Mal – zwar voller Schuldgefühle, aber unumstößlich. Denn wie könnte sie auch anders antworten, da sie ihren geliebten Sohn kannte? Die Krankheit war nicht Jack. Die Krankheit war ein fremder Eindringling, ein Feind, der Jack das Dystrophin raubte, ein lebenswichtiges Muskelprotein.
    Seine Glieder mochten schwächer werden, aber es war dem Feind bisher noch nicht gelungen, seinen Willen zu besiegen, und er hatte seine Intelligenz und seinen Humor bewahrt. Und das sonnige Lächeln, das ihn so untrennbar mit den Herzen seiner Familie verband.
    Dennoch … die Dinge, die ihm bevorstanden. Operationen, Therapien. Schmerzen und lähmende Müdigkeit. Hilflosigkeit und Enttäuschungen, die kein gesunder Mensch erahnen

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