Blankes Entsetzen
zurücklassen …«
»Bei ihm?«, sagte Keenan. »Nicht eine Minute!«
»Vielleicht hatte sie ihren Pass immer dabei«, überlegte Reed. »Stets bereit, zu verschwinden … oder einfach aus Angst, dass er ihn ihr wegnehmen könnte.« Er schwieg wieder kurz. »Glaubst du, Joanne hatte beschlossen, ihn wegen Kindesmisshandlung anzuzeigen?«
»Das ist wahrscheinlicher als alles andere«, sagte Keenan, schüttelte dann aber wieder den Kopf. »Aber ihm muss klar gewesen sein, dass das Kind nach Joannes Tod die ganze Zeit bei ihm sein würde, und nach Mrs Finchs Aussage hat er sich jedes Mal aufgeregt, wenn Irina geweint hat.«
»Die Leidenschaft kennt keine Logik«, beharrte Reed. »Oder die Eifersucht … oder einfach nur ganz gewöhnliche Wut. Vielleicht war es eine Affekthandlung.«
»Ihr die Tranquilizer zu geben, deutet nicht auf ein Verbrechen im Affekt hin.«
Die beiden Männer schwiegen eine Weile. Draußen, hinter den geschlossenen Fenstern, dröhnte der Verkehrslärm.
»Wie wär’s, wenn wir den Kinderpsychologen hinzuziehen, damit wir mit Irina sprechen können?«, fragte Reed schließlich.
»Noch nicht.« Die Falten in Keenans Gesicht vertieften sich. »Ich würde sie lieber genau im Auge behalten und weiter um sie herum graben. Das Mädchen hat immer noch keine Ahnung, was mit seiner Mutter passiert ist, und ich will nicht, dass wir diejenigen sind, die es ihm sagen. Abgesehen davon habe ich nicht den Eindruck, dass die Kleine etwas Erschreckendes gesehen oder gehört hat.«
»Ich nehme an«, sagte Reed, »solange die Großmutter bleibt und wir ein und aus gehen, müssen wir uns nicht allzu viele Gedanken darum machen, sie vor Patston zu beschützen.«
»Sobald Karen im Krankenhaus fertig ist, möchte ich, dass sie wieder so viel Zeit wie möglich im Haus verbringt«, sagte Keenan. »Außerdem postieren wir zum Schutz jemanden vor der Tür.«
»Wird erledigt«, sagte Reed.
64.
Als Lizzie kurz vor dem Mittagessen ihre E-Mails checkte, fand sie in ihrem Postfach einen vorläufigen Terminplan für die Wahre-Wonne -Tour und eine Nachricht von ihrem Agenten Andrew France.
Sie rief ihn sofort an. »Gut, dass ich dich erwische«, sagte sie. »Ich dachte schon, du wärst beim Mittagessen.«
»Heute gibt’s nur ein Sandwich am Schreibtisch. Wie geht es der Familie?«
»Bestens«, sagte Lizzie, ohne sich mit Einzelheiten aufzuhalten. »Was liegt an, Andrew?«
»Wir müssen allmählich über Teil zwei der Roadshow sprechen.«
»O Gott«, sagte sie.
»Vicuna hatte kein Problem mit dem Aufschub, aber die Leute von Essen und Trinken bestehen jetzt darauf, dass du einen Zusatz zu deinem Vertrag unterzeichnest.«
»Was für einen Zusatz?« Lizzie fühlte, wie ihr Inneres sich anspannte.
»Sie wollen eine Garantie, dass du die Aufnahmen zu Ende bringst – Naturkatastrophen und sonstige unvorhersehbare Ereignisse größeren Ausmaßes ausgenommen.«
»Was bedeutet ›größeren Ausmaßes‹?«
»Lass uns gar nicht erst darüber reden, Lizzie«, sagte Andrew.
»Doch, das sollten wir«, widersprach sie. »Ich habe den vagen Verdacht, dass Dinge, die für mich Probleme größeren Ausmaßes darstellen, für die Fernsehleute absolut unbedeutend sein könnten.« Sie hielt inne. »Ist das Richard Ardens Werk?«
»Das darfst du keine Minute lang glauben«, sagte Andrew. »Vermutlich kommt es aus seiner Rechtsabteilung, aber ich glaube nicht, dass wir uns deswegen Sorgen machen müssen.«
» Du musst dir vielleicht keine Sorgen machen – ich schon.« Lizzie war verärgert. »Diese Leute kennen doch meine Verpflichtungen, und zwar von Anfang an! Und Richard schien nach dem Unfall volles Verständnis dafür zu haben, dass ich abreisen musste!«
»Natürlich hatte er Verständnis.« Andrews Stimme bekam einen besänftigenden Beiklang. »Aber jetzt sagen die Anwälte, er und seine Chefs hätten mehr oder weniger von dir erwartet, dass du zurückkommst, sobald das Schlimmste vorbei ist …«
»Jetzt rede mal Klartext. Worauf sind sie aus?«, fiel Lizzie ihm ins Wort. »Eine Garantie, dass ich für die Dauer der Roadshow aufhöre, Mutter zu sein?«
»Nun werde doch nicht gleich wütend, Lizzie …«
»Und wenn sie ihre Vorauszahlung zurückwollen, können sie das Geld gern haben.«
»An so was brauchst du gar nicht zu denken«, sagte Andrew.
»Nein, das brauche ich wirklich nicht.«
»Ich glaube nicht«, sagte Andrew, »dass eine Ablehnung langfristig gesehen ein kluger Zug wäre.«
»Wie
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