Blankes Entsetzen
als sie ohnehin schon ist.«
Helen setzte sich in den Sessel neben Keenan. Als sie die Beine übereinander schlug, bemerkte sie mit leichter Verärgerung, dass sie zwei Laufmaschen in der Strumpfhose hatte. Sie wünschte, sie hätte einen Hosenanzug angezogen.
»Kann ich Ihnen beiden Kaffee bringen?«, fragte Allbeury. »Aber Sie trinken lieber Tee, nicht wahr, Inspector Shipley?«
»Für mich nichts, danke.«
»Für mich auch nicht.« Keenan wartete, bis auch der Anwalt Platz genommen hatte. »Was macht Sie so sicher, dass Ihre Person für die Fälle keine Bedeutung besitzt?«
»Darüber habe ich lange und eingehend nachgedacht«, antwortete Allbeury. »Und ja, ich nehme an, es besteht die vage Möglichkeit, dass beide Ehemänner herausfanden, dass ihre Frauen in Verbindung mit mir standen, und dass die Männer daraufhin so wütend wurden, dass sie die Frauen getötet haben.«
»Vielleicht ist genau das geschehen«, sagte Helen.
»Aber das ist doch unwahrscheinlich – gleich in beiden Fällen?« Allbeury war skeptisch.
Helen schwieg.
Allbeury sah sie noch einen Moment an, dann wandte er sich an Keenan. »Also, wie genau kann ich Ihnen helfen, Inspector?«
»Erstens«, sagte Keenan, »indem Sie uns sagen, wo Sie sich zum jeweiligen Todeszeitpunkt der beiden Frauen aufhielten. Zweitens, indem Sie uns genau erklären, wie Ihr Verhältnis zu den beiden Opfern war.«
»Für die Antwort auf Frage eins brauche ich den Terminkalender in meinem Computer«, sagte Allbeury. »Was die zweite Frage betrifft, habe ich Inspector Shipley bereits von meiner einzigen Begegnung mit Lynne Bolsover erzählt.«
Wieder antwortete Helen nicht.
»Wenn ich mich recht erinnere«, sagte Keenan, »haben Sie Inspector Shipley erzählt, dass Sie Mrs Bolsover Ihren Rechtsbeistand angeboten hatten – gratis, aber außerhalb der staatlichen Prozesskostenhilfe.«
»Korrekt«, sagte Allbeury. »Aber sie wollte meinen Rat nicht.«
»Wahrscheinlich war die Sache aus ihrer Sicht ein bisschen zu kompliziert«, sagte Keenan. »Wenn sie im Grunde nichts weiter tun musste als ins Bürgerbüro zu gehen oder die Gelben Seiten aufzuschlagen, um eine der Firmen zu finden, bei denen die erste Beratung umsonst ist.«
»Aber sie hat nichts dergleichen getan«, sagte Allbeury ungerührt. »Und das ist genau der Punkt. Mrs Bolsover hatte zu viel Angst, dass ihr Mann etwas herausfinden könnte, um einen solchen Besuch zu riskieren.«
»Sie erwähnten einen ›Fluchtweg‹«, sagte Helen.
Allbeury dachte kurz nach. »Nun, viele unglückliche Frauen erkennen offenbar nicht, dass sie einen Fluchtweg haben .«
»Weil sie kein Geld besitzen«, fügte Keenan hinzu.
Allbeury nickte. »Das ist oft der erste Stolperstein.«
»Also, wie hätten Sie Lynne Bolsover geholfen, zu ›fliehen‹?«, fragte Helen. »Wenn sie Ihr Angebot nicht abgelehnt hätte?«
»Das kann ich nicht beantworten«, sagte Allbeury.
»Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«, fragte Helen.
Er lächelte. »Ich kann nicht, Inspector. Jeder Fall liegt anders, und selbstverständlich wäre jeder Rat oder jede Hilfe, die ich Mrs Bolsover hätte anbieten können, von ihren spezifischen Lebensumständen und Bedürfnissen abhängig gewesen.«
»Was ist mit Joanne Patstons Bedürfnissen?« Jim Keenan beugte sich ein Stück vor.
»So Leid es mir tut«, antwortete Allbeury, »auch was das angeht, kann ich Ihnen nicht viel weiterhelfen.« Er hielt inne. »Mrs Patston und ich haben uns nur ein einziges Mal getroffen, in ihrer örtlichen Bibliothek.«
»In Hall Lane?«, fragte Keenan.
»Genau.« Allbeury hielt inne. »Sie brachte ihre Tochter Irina mit, und wir unterhielten uns, während die Kleine sich Bücher anschaute – ihre Mutter behielt sie die ganze Zeit im Auge.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«, fragte Keenan.
»Mrs Patston hatte Angst um Irina«, sagte Allbeury, »weil ihr Mann das Kind schlug. Wir sprachen darüber, und auch über Möglichkeiten, wie ich ihr helfen könnte, einen Weg aus ihrer Ehe zu finden.«
»Was für einen Weg?«, fragte Keenan. »Scheidung?«
»Scheidung wäre möglicherweise kein ausreichend sauberer Bruch gewesen«, sagte der Anwalt. »Ein zu langer Prozess – ein zu hohes Risiko, dass Patston bis zur Rechtsgültigkeit der Scheidung wer weiß wie oft die Beherrschung verloren hätte und gewalttätig geworden wäre.«
»Sie hätte versuchen können, eine richterliche Verfügung zu erwirken«, sagte Helen.
»Natürlich«, sagte Allbeury.
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