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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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Stille, und dabei rann ihm eine Träne über die Wange – er hatte gar nicht realisiert, wie sehr ihm dieser klare Himmel, der zum Greifen nah und strahlend hell flimmerte, von keiner künstlichen Beleuchtung getrübt, gefehlt hatte. Johannes Gerlitzen beschloss, nach Hause zu kommen. Er war ein Bürger des Dorfes, er war Arzt, er war Ehemann, er war Vater. S’is halt so.
    Als Johannes Gerlitzen drei Wochen später beim Lenker Apotheker eine Bestellung für den Ersatz des verschwunden Laborbedarfs aufgegeben hatte und die Ordination bereits seit mehreren Tagen geöffnet war, ließ sich Ilse endlich häufiger blicken – doch sie sprach kein Wort. Egal was Johannes sie fragte und auf welche Weise er versuchte, sie aus der Reserve zu locken, kein Ton kam über ihre Lippen. Und somit wusste Johannes auch nicht, wo sie den Tag verbrachte, wenn sie in der Früh aus dem Haus lief und spätabends zurückkam, dreckig von Kopf bis Fuß. Johannes konnte nachts nicht durchschlafen, und beim Wandeln durch das Haus hörte er jede Nacht, wie Ilse in ihrem Zimmer weinte. Er konnte sich vorstellen, dass es für das Kind schlimm sein musste, plötzlich nicht mehr im Bett der Mutter schlafen zu dürfen, wo sie fast zehn Jahre lang übernachtet hatte, und so beschloss er, sie nicht zu überfordern, ihr Zeit zu geben und sich derweil dem Planen eines Laboratoriums zur weiteren Erforschung entroper Parasiten zu widmen. Das Laboratorium wollte er in der Vorratskammer einrichten, in der Elisabeth früher ihre Marmeladen und andere Erzeugnisse gelagert hatte. Ihm schwebte vor, die Bretterbude bis zur kalten Jahreszeit winterfest zu machen, einen elektrischen Heizkörper zu installieren und die Wände verkacheln zu lassen, um für die nötige Sterilität zu sorgen. Über dem Schreibtisch sollten zwei Leuchtstoffröhren grelles weißes Licht spenden, das optimal für das Sezieren und Untersuchen von Gewebeproben sein würde.
    Bevor gegen Ende der Ferienzeit die Ernte alle freien Hände auf dem Feld nötig machte, waren die Kinder Sommer für Sommer in den Wäldern, den Auen und rund um den Mitternfeldbach am Werk. Jede Generation baute ihre eigenen Baumhäuser, Lagerstätten, Hütten und versuchte, bessere Stellen und neuere Techniken zu finden, um den Mitternfeldbach so weit aufzustauen, dass man von den Aubäumen hineinspringen konnte. Nachdem sich die Aufregung über den ersten Arzt in der Geschichte von St.   Peter gelegt hatte, wandte sich die Jugend auch im Sommer 1969 einer geheimen Bastelarbeit in den Sporzer Wäldern zu und ließ sich von Alois’ Faszination für einen Mondflug anstecken. Alois hatte neben Ilse bald zwei Dutzend weitere Helfer. Schnell war das ausgetrocknete Flussbett des Schmelzwasserbaches vom Geröll befreit, und die stärkeren Buben zogen Spurrinnen, damit das Raumschiff wirklich bis zum Vorsprung rollte und nicht an einem der Waldbäume zerschellte. Doch verglichen mit den Gefahren hinter der Rampe waren die Bäume das geringere Übel. Einigen Kindern wurde mulmig zumute, blickten sie die sieben Meter bis zum Mitternfeldbach hinab. Der Mitternfeldbach grenzte den Großen Sporzer vom Angerberg ab, und auf der anderen Uferseite erstreckten sich die Weiden des abfallenden Angerberges, der sogenannte Nordhang, dem nur das Hintertor des Wirtshausgartens zugewandt war. Die Kinder fragten sich, wie Alois jemals weit genug fliegen sollte. Das Raumschiff war derweil noch eine Seifenkiste mit Flügeln aus Sonnenschirmstoff, den sie nachts dem Wirt entwendet hatten. Der Antrieb fehlte, wie Alois Irrwein jeden Tag bedauerte, denn Richard Patscherkofel, der beim Automechaniker lernte, hatte die Aufgabe, den Motor von Karli Ötschs altem Gatschhupfer – einem geländetauglichen Moped mit Gangschaltung – zu einem leistungsstarken Raumschiffantrieb umzubauen. Zu Alois’ Ärger war Richard jedoch mit Gertrude Millstädt zusammengekommen und verbrachte seine Zeit mit ihr im Maisfeld, wo er Abend für Abend probierte, wie weit er seine Hand unter ihrem Rock hochschieben konnte, bevor sie böse wurde. Alois hatte dafür überhaupt kein Verständnis, für ihn waren Mädchen allenfalls verbündete Mitarbeiter bei der Weltraummission – wieso Gertrudes Rock interessanter als ein Raumschiffmotor sein sollte, war ihm schleierhaft. Aber Alois verzieh seinem Freund, denn auch mit der Abdichtung des Cockpits war er noch nicht zum Durchbruch gekommen. Da es nicht so aussah, als ob sie das Problem von Antrieb und Cockpit vor

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