Blau wie das Glück: Roman (German Edition)
gewesen, dass sie sich ihm jetzt sicher nicht zuwenden konnte.
Aber Wunden, die sie ihn nicht sehen ließ, die sie in sich selbst verschloss, konnte er auch nicht behandeln.
Sie hatte den Mann geliebt, das war klar. Und ein kleiner, hässlicher Teil in ihm war eifersüchtig auf den Toten.
Und so stand er am Fenster und wartete an seinem letzten Tag in Irland darauf, dass die Sonne aufging.
Jemand klopfte an der Tür. Da er annahm, es wäre Moira, sagte er: »Bi istigh.«
Er drehte sich nicht um, als die Tür geöffnet wurde, erst als Blair sagte: »Mein Gälisch ist nicht besonders gut. Wenn das also heißen sollte: ›Fahr zur Hölle‹, dann hast du Pech gehabt.« Sie schwenkte die Flasche Whiskey, die sie in der einen Hand hielt. »Ich habe Cians Vorräte geplündert. Ich will mich ein bisschen betrinken und Totenwache für einen alten Freund halten. Willst du mir Gesellschaft leisten?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, setzte sie sich auf den Boden am Fußendes des Bettes und lehnte den Kopf dagegen. Sie öffnete die Flasche und schenkte großzügig zwei Finger breit in die Gläser ein, die sie ebenfalls mitgebracht hatte.
»Prost darauf, dass er einfach nur tot ist.« Sie hob das Glas und kippte den Inhalt herunter. »Na, komm, trink einen Schluck, Larkin. Du kannst ja sauer auf mich sein und trotzdem etwas trinken.«
Er setzte sich neben sie. »Es tut mir leid, dass es dich so schmerzt.«
»Ich komme schon darüber hinweg.« Sie reichte ihm das
zweite Glas und schenkte sich einen weiteren Whiskey ein. »Sláinte.« Sie stieß mit ihm an, trank dieses Mal jedoch nur einen kleinen Schluck. »Mein Vater hat mir beigebracht, dass Bindungen Waffen sind, die der Feind gegen dich einsetzen kann.«
»Das ist aber eine harte, kalte Art zu leben.«
»Oh, darin ist er gut. Er hat mich an meinem achtzehnten Geburtstag verlassen. Fertig.« Sie legte den Kopf zurück und trank. »Weißt du, ich dachte, er hat mich schon so viele Male zuvor verletzt und mir das Herz herausgerissen, weil er mich nicht liebte. Aber es war nichts im Vergleich zu dem, was ich empfand, als er einfach ging. Deshalb habe ich auch das hier.«
Sie drehte ihr Handgelenk und betrachtete die Narbe. »Ich bin ausgegangen und habe versucht zu beweisen, dass ich ihn nicht brauche. Dumm gelaufen.«
»Er hat dich nicht verdient.«
Sie lächelte ein bisschen. »Da würde er dir auf der Stelle zustimmen, wenngleich aus einem völlig anderen Grund, als du es gemeint hast. Ich war einfach nicht so, wie er es wollte, und selbst wenn, hätte er mich nicht geliebt. Ich habe lange gebraucht, um das zu begreifen. Vielleicht wäre er eines Tages stolz auf mich gewesen, vielleicht wäre er zufrieden gewesen. Aber geliebt hätte er mich nie.«
»Und trotzdem hast du ihn geliebt.«
»Ihn verehrt.« Einen Moment lang schloss Blair die Augen. Sie gab so viel von sich preis. »Ich kam nicht darüber hinweg. Also arbeitete ich hart, bis ich besser war, als er jemals gewesen ist. Aber dieses Verlangen in mir ließ nicht nach. Jemanden zu lieben, von jemandem geliebt zu werden. Und dann begegnete ich Jeremy.«
Sie schenkte wieder Whiskey ein. »Ich habe im Pub meines Onkels gearbeitet. Meine Tante, meine Kusinen und
ich haben dort abwechselnd gearbeitet. Gejagt oder an der Theke und den Tischen bedient. Manchmal hatte ich einfach auch nur frei. Meine Tante bezeichnete es als normales Leben, weil wir uns als Familie die Last teilten.«
»Klingt nach einer sehr vernünftigen Frau.«
»Das ist sie auch. Sie ist eine liebe Frau. Ich stand also gerade an der Theke und zapfte Bier, als Jeremy mit ein paar Freunden hereinkam. Er hatte gerade einen großen Abschluss gemacht, und sie wollten ein bisschen feiern. Er ist – war – Börsenmakler.« Sie wedelte mit der Hand. »Das ist schwer zu erklären. Auf jeden Fall sah er sehr gut aus. Fantastisch sogar. Er schlug also bei mir ein wie eine B…«
»Er hat dich geschlagen?«
»Nein, nein.« Gott, war das komisch. Sie prustete vor Lachen. »Das ist so eine Redensart, Umgangssprache. Er flirtete mit mir. Ich flirtete zurück, weil ich auf einmal so ein Summen im Bauch verspürte. Weißt du, was ich meine? Dieses kleine Sssss im Innern?«
»Ja.« Larkin streichelte ihre Hand. »Das kenne ich.«
»Er blieb, bis wir schlossen, und schließlich habe ich ihm meine Telefonnummer gegeben. Na ja, ich brauche ja nicht jedes Detail zu erzählen. Wir gingen miteinander aus. Er war lustig, nett. Normal. Der Typ Mann, der
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