Blau wie das Glück: Roman (German Edition)
anderen Seite lag.
Bei der Frau jedoch hatten sie sich mehr Zeit gelassen, warum sonst hätten sie ihr die Kleider herunterreißen sollen. Ihre Hände waren noch gefesselt, und was noch von ihr übrig war, war von Bisswunden übersät.
Ja, sie hatten sich wirklich Zeit gelassen.
Waffen konnte sie keine entdecken, aber die Blutflecken auf einer der Bänke waren frischer als die anderen Flecken, die das gesamte Innere des Wagens bedeckten. Dort war wohl das Mädchen gestorben. Und wieder auferstanden.
»Die Frau ist erst seit ein paar Tagen tot«, sagte Cian hinter ihr. »Der Mann und der Junge schon länger. Einen Tag länger oder mehr.«
»Ja. Jesus.« Sie musste hinaus, an die frische Luft. Sie kletterte aus dem Wagen und atmete tief ein.
»Sie werden zu ihr zurückkommen.« Sie beugte sich vor und legte die Hände auf die Oberschenkel, um die Übelkeit zu vertreiben. »Sie werden ihr etwas zu essen mitbringen. Sie war neu und ist wahrscheinlich erst heute Abend aufgewacht.«
»Wir müssen sie beerdigen«, sagte Larkin. »Die anderen. Sie haben eine ordentliche Beerdigung verdient.«
»Das muss warten. Hör mal, du kannst ruhig sauer auf mich sein, aber …«
»Nein, das bin ich ja gar nicht. Mir ist sterbensschlecht, aber ich bin nicht wütend auf dich. Und auch nicht auf dich«, sagte er zu Cian. »Ich weiß auch gar nicht, warum ich so heftig reagiere, schließlich habe ich ja in den Höhlen in Irland gesehen, wie sie mit ihren Opfern verfahren.
Aber dass sie ein Monster aus diesem Mädchen gemacht haben, um sie zu missbrauchen, bricht mir das Herz.«
Blair fand keine tröstenden Worte. Sie drückte ihm den Arm. »Sie werden dafür bezahlen. Sie werden vor Sonnenaufgang zurückkommen, vielleicht lange vorher, wenn sie schnell Nahrung finden. Sie wissen ja, dass sie heute Nacht erwacht und essen muss. Deshalb haben sie ja …«
»Deshalb haben sie ja die Leichen im Wagen gelassen«, vollendete Larkin den Satz. »Damit sie Nahrung hat, bis sie ihr frisches Blut bringen. Ich bin nicht begriffsstutzig, Blair. Sie haben ihr ihre eigene Familie als Nahrung dagelassen.«
Blair nickte. »Wir schließen also jetzt den Wagen und warten. Können Sie uns riechen? Larkin und mich?«
»Schwer zu sagen«, erwiderte Cian. »Ich weiß nicht, wie alt sie sind. Unerfahren werden sie nicht sein, sonst hätte Lilith sie nicht mit der Aufgabe betraut. Möglicherweise riechen sie Lebendblut. Und da sind ja auch immer noch die Pferde.«
»Okay, ich kümmere mich darum. Höchstwahrscheinlich kommen sie aus derselben Richtung zum Wagen zurück, in der sie ihn verlassen haben. Wir bringen die Pferde einfach tiefer in den Wald, gegen den Wind, und binden sie an. Nur meins nicht. Wenn ich ihnen darauf entgegenkomme, dann werden sie denken, dass es lahmt oder so. Und sie werden sich sehr freuen, mitten in der Nacht einer einsamen Frau zu begegnen.«
»Du willst also den Lockvogel spielen?«, fragte Larkin. Sein Gesichtsausdruck stand auf Auseinandersetzung.
»Ich bringe schon mal die Pferde weg, während ihr zwei das ausdiskutiert.« Cian ergriff die Zügel und verschwand zwischen den Bäumen.
Bleib ruhig, befahl Blair sich. Vernünftig. Sie musste
sich ins Gedächtnis rufen, dass es doch eigentlich schön war, wenn sich jemand um sie sorgte.
»Wenn sie einen Mann sehen, greifen sie eher an. Eine Frau werden sie lebend haben wollen – jedenfalls eine Zeit lang. Dann hätten sie beide eine Gespielin. Das ist doch logisch.«
Dann jedoch war es mit ihrer Ruhe auch schon vorbei. »Und wenn dein Ego ein Problem damit hat, dass ich mit den beiden notfalls auch allein fertig würde, dann musst du sehen, wie du damit klarkommst.«
»Mein Ego hat damit nichts zu tun. Wir können auch alle drei im Hinterhalt auf sie warten.«
»Nein, denn wenn sie einen von uns beiden riechen, geht das Überraschungsmoment verloren. Moira will sie – oder zumindest einen von beiden – lebend, und deshalb sind wir hier draußen, statt gemütlich mit einem Glas an einem prasselnden Kaminfeuer zu sitzen. Wenn wir auf einen Angriff reagieren müssen, müssen wir sie wahrscheinlich beide töten. Wir können sie besser fangen, wenn wir sie überraschen.«
»Es gibt auch andere Methoden.«
»Vermutlich ein Dutzend. Aber wir wissen nicht genau, ob sie in fünf Minuten oder in fünf Stunden zurückkommen. Es wird funktionieren, Larkin, weil es so simpel ist. Sie erwarten einfach nicht, dass eine einzelne Frau eine Bedrohung darstellt. Ich will die
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