Blaubeertage (German Edition)
den Kopf zu stoßen.«
»Ich mache mir Notizen.« Such dir den allerletzten Menschen auf der Welt aus, mit dem mich meine Mom (oder in seinem Fall, sein Dad) zusammen sehen will, und gib vor, ihr wärt ein Paar. Natürlich müsste ich meine Mom einweihen. In dem Punkt unterscheiden wir uns. Ich benutze Xander nicht. »Ausführliche Notizen. Wenn meine Mom mich um einen Gefallen bittet« – ich deute über meine Schulter hinweg auf die Tür, aus der wir gerade gekommen sind –, »schmolle ich und benehme mich wie ein verwöhntes Kleinkind.«
»Wie ungezogen von dir.« Er schenkt mir ein halbes Grinsen, was mich wütend macht, denn ich finde, dass diese kleine ironische Bemerkung ja wohl mindestens ein echtes Lächeln wert gewesen wäre.
Er ruft den Fahrstuhl, um nach unten zu fahren. »Und, Fotografie? Deine Zukunft?«
»Steht auf der Vielleicht-Liste.«
»Ich dachte, es könnte dir vielleicht Spaß machen. Naturwissenschaften liegen dir, hast du gesagt, und dazu braucht man Beobachtungsgabe und einen Sinn fürs Detail. Du hast beides und diese Talente sind ganz nützlich, wenn man durch einen Sucher guckt.«
Ich schaue ihn verblüfft an.
»Was?«, fragt er.
Mir wird bewusst, dass ich ihn fassungslos angestarrt haben muss. Ich drehe mich wieder um und richte meinen Blick auf das verschwommene Spiegelbild von uns in der goldenen Fahrstuhltür. »Ich … Danke … dass dir das aufgefallen ist.«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich versuche, etwas zu finden, was dir wirklich Spaß macht. Und du bist als Nächstes an der Reihe.«
»Richtig. Und da wir ja diesen Berufsinformationstag auf unsere Talente abstimmen, sollte ich vermutlich einen Beruf für dich finden, bei dem es um das Bügeln von T-Shirts und die Benutzung jeder Menge Haargel geht.«
Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. »Ich benutze nur sehr wenig Gel.« Wir fahren mit dem Fahrstuhl wieder nach unten. »Nächsten Samstag also, gleiche Zeit?«
Wieder rufe ich mir den Kalender hinter dem Tresen ins Gedächtnis. Ich kann mich nicht daran erinnern, ob eine Geburtstagsparty eingetragen ist. »Jup … ja, gerne«, korrigiere ich mich und lächele ihm zu; er soll wissen, wie nervig ich die Kritik seines Dads fand. »Ich denke, das lässt sich einrichten.« Wir warten, während das Auto vorgefahren wird. »Oh, und zieh dir deine schäbigsten Klamotten an.«
16.
A m nächsten Samstag versuche ich, dem Schlamassel der Vorwoche aus dem Weg zu gehen, und warte am Straßenrand auf Xander. Meine Mom scheint mir die »Freund aus der Schule«-Nummer abzukaufen, und solange sie mich nicht dazu zwingt, ihr Xander vorzustellen, werde ich dabei bleiben. Er stellt den Motor aus und steigt aus dem Wagen, bevor er merkt, dass ich schon draußen stehe.
Er trägt teure Jeans, ein noch teureres T-Shirt und schicke Schuhe. Ich zeige auf seine Klamotten. »Im Ernst? Hab ich nicht gesagt, die schäbigsten Klamotten, die du hast?«
Er geht direkt auf mich zu. Normalerweise ist er einen ganzen Kopf größer als ich, aber da er sich auf der Straße befindet und ich immer noch auf dem Bordstein stehe, sind meine Augen auf gleicher Höhe mit seinem Kinn.
»Gleichfalls hallo.«
Ich habe ihn die ganze Woche lang nicht gesehen. Er war mit seinem Dad auf Reisen – irgendwas Geschäftliches. Für eine Sekunde denke ich, dass er mich umarmen will, und mir stockt kurz der Atem, aber dann schaut er an seinen Klamotten hinunter. »Das sind die schäbigsten Klamotten, die ich habe. Die waren praktisch schon im Müll.«
Ich gebe ihm einen Schubs und habe damit eine Ausrede, ihn zu berühren. »Und du redest nur Müll.« Aber mir ist natürlich klar, dass er das ernst meint. »Okay, dann müssen wir unterwegs mal kurz anhalten.«
Wir fahren mehrere Blocks die Straße hinunter und ich zeige auf den Parkplatz der Heilsarmee. »Erster Stopp – ein neues Outfit. Komm. Wir kleiden dich ein.«
Wir gehen hinein und der muffige Geruch alter Möbel schlägt mir entgegen. Er erinnert mich an Skye, weil wir so viel Zeit an solchen Orten wie diesem hier verbringen. »Schuhgröße?«, frage ich.
»Zwölf … Moment … wir kaufen hier Schuhe? Ich bin mir nicht sicher, ob ich Schuhe anziehen kann, die andere Leute schon getragen haben.«
»Ich hoffe, das war bloß ein philosophischer Kommentar. Mann, jetzt hab dich nicht so. Entweder du kaufst jetzt ein Paar oder du ruinierst dir deine hübschen Treter.«
»Ich hab keine Probleme damit, meine Schuhe zu ruinieren.«
»Moment. Hab ich
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