Blaubeertage (German Edition)
womit ich mal meinen Lebensunterhalt verdienen möchte.
Xander scheint irgendwie ganz aufgeregt zu sein, als er den Knauf dreht und die Tür öffnet. Ich bin total überwältigt von dem ganzen Chaos und dem Lärm, der mir entgegenschlägt. Große weiße, mit Schirmen abgedunkelte Lampen werden von mehreren Leuten aufgebaut. Ein paar Frauen rücken Kissen auf einem Sofa zurecht. Ein Mann mit einer großen Kamera, die um seinen Hals hängt, geht durch den Raum und begutachtet dabei kritisch verschiedene Perspektiven. Hin und wieder zieht er ein schwarzes längliches Gerät aus der Tasche und drückt auf einen Knopf.
»Was machen wir hier?«, frage ich Xander.
»Das ist ein Fotoshooting. Mein Dad möchte ein paar neue Fotos von der Suite für die Homepage machen lassen; und er will, dass ich die Sache beaufsichtige.« Er geht zu einer großen Kiste, die an der Wand steht, nimmt eine Kamera heraus und bringt ein Objektiv an. »Du läufst mit dem Fotografen mit. Du wirst so etwas wie sein Lehrling sein.«
»Hast du ihn vorgewarnt, dass irgendein Mädel, das nicht den geringsten Schimmer von Fotografie hat, ihm den ganzen Tag im Weg stehen wird?«
»Hab ich.« Er stellt sich vor mich und streift mir den Riemen der Kamera über den Kopf. Dann greift er nach meinen Haaren und zieht sie unter dem Riemen hervor. Ich bemühe mich, nicht aufzuseufzen. Er verströmt den Geruch nach teurer Seife und Waschpulver. »Er hat sich geschmeichelt gefühlt, dass jemand von ihm lernen will.«
»Wenn du meinst.«
Sein Handy klingelt und er dreht sich um, um den Anruf entgegenzunehmen. »Was meinst du, wo ich wohl bin?« Seine Stimme ist plötzlich eiskalt und schneidend. »Ja, beim Fotoshooting. Genau dort, wo du mich hinzitiert hast … Ja, na gut, heute hab ich beschlossen … Okay … Ja … Nein, heute Abend hab ich schon etwas anderes vor. Gut.« Er legt auf, ohne sich zu verabschieden.
Ich hebe die Augenbrauen und deute auf sein Handy.
»Mein Dad.« Er zuckt mit den Schultern, als wäre seine Kälte am Handy bloß Theater gewesen.
»Mr Spence«, ruft der Fotograf. »Wenn Sie so weit sind, können wir anfangen.«
»Ich gehe mich eben nur kurz umziehen.«
Umziehen?
Während er weg ist, ruft mich der Fotograf zu sich und zeigt mir ein paar Standardfunktionen der Kamera und wie und wann ich abdrücken soll. Xander kommt in einem Anzug wieder, in dem er unglaublich aussieht. Der Anzug und sein klassischer Haarschnitt machen ihn sehr viel älter als siebzehn. Er nimmt sich eine Zeitschrift vom Tisch und setzt sich auf das Sofa. Ganz im Ernst, ich habe noch nie jemanden gesehen, der so gut in einem Anzug aussieht. Der Fotograf macht ein paar Aufnahmen und fängt dann an, Xander Anweisungen zu geben. Nachdem er ungefähr ein Dutzend Aufnahmen gemacht hat, dreht er sich zu mir. »Warum schießt du nicht ein paar Fotos, während ich die nächste Szene vorbereite?« Und dann geht er in die Küche (das Hotelzimmer hat eine Küche!) und fängt an, dort umzuräumen.
»Du hast mir gar nicht verraten, dass du das Model bist.«
»Hab ich dir nicht erzählt, dass mein Dad vorhat, mich zum Aushängeschild der Firma zu machen?«, sagt er und senkt seinen Blick. Zum allerersten Mal, seit ich ihn kenne, sehe ich, wie er rot wird. »Es ist total peinlich, aber er ist zu der Überzeugung gekommen, dass in Werbefotos Leben sein muss.«
»Die Fotos erscheinen in Werbeprospekten und so?«
»Hauptsächlich auf unserer Website, aber ja, in Prospekten auch.«
Eine Website. Warum hatten wir eigentlich keine Website für den Puppenladen? Ich grinse und halte die Kamera vor mein Gesicht. »Okay, Mr Sexy. Zeig mir, was du draufhast.«
Xander durch die Kameralinse anzuschauen, lohnt sich. Ich kann hinsehen, ohne Angst zu haben, dass ich ihn anstarre. Im Laufe des Tages lerne ich, wie man mit dem Objektiv heranzoomt, wie ich mich auf sein Lächeln oder seine Augen konzentriere. Seine Haut ist makellos. Sein Haar glänzt und ist voll und dicht, genau richtig. Es ist nur ganz leicht gewellt, aber dadurch sieht seine Frisur – auch wenn sie ziemlich kurz geschnitten ist – perfekt aus.
Ich darf ein paar Aufnahmen vorbereiten. Ich experimentiere mit dem Licht. Erst belichte ich über, tauche sein Gesicht in die Sonne, die durchs Fenster hereinscheint. Danach kehre ich den Effekt um und nehme Xander im Gegenlicht auf, sodass man nur den dunklen Umriss mit seinen Kanten und Kurven erkennt. Ich schieße ein paar Fotos mit dem Meer im Hintergrund. Die
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