Blaubeertage (German Edition)
dich vor eine Wahl gestellt? Wie dem auch sei, dir sollte man sowieso keine Entscheidungen überlassen. Wir kaufen dir hier Schuhe, basta.« Ich zerre ihn in die Schuhabteilung. Es gibt nur drei Paare in seiner Größe. Ich suche für ihn die allerhässlichsten aus – knöchelhohe Turnschuhe mit neonfarbenen Schnürsenkeln. Dann schicke ich ihn los, um Klamotten anzuprobieren.
Während er in der Umkleidekabine ist, stöbere ich in der Sweatshirtabteilung. Ich durchforste die Ware auf den Kleiderstangen – und stoppe. Zwischen einem grausam neonorangen Sweatshirt und einem blauen mit dem Logo eines Colleges hängt ein schwarzes Kleid. Es hat einen handgestickten Perlenbesatz, einen herzförmigen Ausschnitt und Flügelärmel. Ich checke die Größe. Es würde mir passen. Ich beiße mir auf die Lippe und schaue auf das Preisschild: Vierzig Dollar. Das ist teuer für einen Second-Hand-Laden, aber immer noch preisgünstig. Es scheint ein echtes Vintage-Kleid zu sein. Das beste Schnäppchen, auf das ich je gestoßen bin. Die Tatsache, dass es zwischen zwei Sweatshirts hängt, verrät mir, dass noch jemand ein Auge darauf geworfen und es versteckt hat, in der Hoffnung, es später zu kaufen. Aber vierzig Dollar sind weit über meinem Budget. Ich habe diesen Monat noch keinen Gehaltscheck bekommen und bin so oder so nicht sicher, ob ich ihn überhaupt einlösen soll. Meine Mom kann es sich nicht leisten, mich zu bezahlen. Das bisschen Geld würde zwar bei ihren Schulden keinen großen Unterschied machen, aber ich würde mich ein bisschen besser fühlen.
»Ich versuche gerade, nicht darüber nachzudenken, wer das hier wohl vor mir getragen hat«, brüllt Xander aus der Umkleidekabine.
»Brauchst du Taschentücher oder hörst du endlich mit deinem Geflenne auf? Komm raus und lass dich ansehen.«
Ich nehme das nächste Sweatshirt von der Stange und hänge es über das schwarze Kleid. Selbst wenn ich vierzig Dollar hätte, wo würde ich so ein Kleid überhaupt je tragen? Zu irgendeiner Schickimicki-Veranstaltung mit Xander? Ich hoffe, dass ich mich nicht in eins von diesen Mädchen verwandele, das von einem Jungen träumt, den es nie haben kann.
Der Vorhang der Umkleidekabine wird aufgezogen und Xander kommt heraus, während er noch dabei ist, sich die unteren paar Knöpfe des Flanellhemdes zuzuknöpfen. »Ich komme mir wie ein Vollidiot vor.«
»Sehr lehrreich, sich ab und zu mal wie ein Vollidiot zu fühlen. Jetzt brauchst du nur noch ein Sweatshirt.«
»Ich hab eine Jacke.«
»Meinst du deinen superteuren Trenchcoat? Keine Chance.« Ich ziehe ein graues Sweatshirt neben mir vom Bügel und werfe es ihm über zwei Kleiderständer zu.
»Okay, ich ziehe mir jetzt wieder meine Klamotten an.«
»Nein, die behältst du hier schön an. Also los, wir treffen uns an der Kasse.« Ich werfe einen letzten Blick auf das Kleid und gehe dann.
Die Dame an der Kasse wirft uns einen Echt-jetzt?- Blick zu.
»Hier«, sage ich und drehe Xander um. Ich ziehe das Preisschild von der hinteren Gürtelschlaufe. Dann greife ich nach dem Preisschild am Hemd, reiße es von Ärmel ab und reiche ihr das Sweatshirt und die Schuhe.
»Das macht fünfzehn Dollar«, sagt sie.
Xander reicht ihr einen Zwanzig-Dollar-Schein. »Fünfzehn Dollar? Für alles zusammen?«
Als wir zurück zum Auto gehen, ist Xander immer noch ganz überrascht. »Letzte Woche hab ich mir ein paar Socken für dreißig Dollar gekauft.«
»Weil du ein Idiot bist.«
»Schönen Dank auch.«
»Übrigens, schicke neue Schuhe.«
Er verdreht die Augen. »Falls sich demütigen zu lassen, ein Beruf sein soll, kann ich dir jetzt schon sagen, dass ich nicht daran interessiert bin.«
»Aber du bist so verdammt gut darin.«
Wir biegen beim Friedhof ein und Xander schaut mich an. »Was machen wir hier?«
»Ausloten, was in uns steckt.«
»Hier?«
»Ja. Schon vergessen? Ich bin morbide. Na komm schon.« Ich habe ihn aus verschiedenen Gründen hierhergebracht. Erstens, weil es umsonst ist. Mir fehlt das Geld, um für ihn etwas auf die Beine zu stellen, das sich mit irgendeinem Schickimicki-Fotoshooting vergleichen lässt. Und zweitens finde ich wirklich, dass sich Xander mal entspannen und die Hände schmutzig machen sollte. Bis jetzt hat er mitgespielt, aber er weiß ja noch nicht, was ich noch in petto habe.
»Hi Mr Lockwood«, sage ich, als wir zum Beerdigungsinstitut hochgehen, das etwas höher als die Grabfelder gelegen ist. Skyes Dad ist cool. Mit seinem langen weißen Haar
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