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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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ihn, hier den Erschütterten zu geben. Endlich räuspert sich Erdal und sagt anklagend: «Und wo in deinem Ratgeber steht, dass du deine Füße in meiner Salatschüssel baden sollst?»
    Ich stehe bei Karstadt in der Schlange vor der Kasse und kann mich nicht erinnern, jemals so viel Geld für eine popelige Salatschüssel ausgegeben zu haben: 39 Euro! Aber was soll’s, meine Freundschaft und die innige Wohngemeinschaft mit Erdal sind mir das wert. Zunächst brauchte ich einen Moment, um zu kapieren, dass er es offenbar wirklich ganz, ganz schlimm fand, dass ich mir seine Salatschüssel geborgt hatte, um meine Füße darin einzuweichen.
    Natürlich bot ich ihm an, seine Schüssel in Sagrotan zu baden und hinterher viermal zu spülen, aber er meinte, für ihn sei der Anblick dieser Schüssel nun auf ewig verbunden mit dem Bild meiner darin befindlichen Füße. Ein knackiger Römersalat mit Champignons und Croutons aus diesem Gefäß? Nein, er könne einfach nicht vergessen.
    Ich rücke in der Schlange nur sehr langsam voran. Offenbar hat jeder, der vor mir dran ist, sich vorgenommen, heute mal das ganze verdammte Kleingeld loszuwerden. Eine ältere Dame hat gerade ihr gesamtes Portemonnaie neben der Kasse ausgeleert und zählt jetzt aus einem etwa hunsrückgroßen Münzhaufen neun Euro und siebenundachtzig Cent zusammen.
    Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich mal nicht nur vor die Tür komme, um zu überprüfen, ob Astrid Stumpi Superpissnelke ihren Wagen vor Martins Wohnung abgestellt hat. Erdal sagt, ich solle jetzt in aller Ruhe abwarten, bis sich Martin bei mir meldet. Das würde er nach meinem gestrigen Auftritt bestimmt tun. Petra, der ich eine meterlange Mail geschrieben habe, hatte kurz und knapp geantwortet: «Das ist doch super gelaufen. Bin stolz auf dich. Jetzt cool bleiben. Nicht anrufen. Keine SMS. Abwarten!»
    Toll, wie die beiden das so leicht dahinsagen: Ruhe bewahren. Unmöglich! Ich habe vor lauter Nervosität mein Handy auf Vibrationsalarm gestellt und lege es nicht mehr aus der Hand.
    Und das, obschon ich die klare Instruktion habe, Martins Anruf nicht entgegenzunehmen, sondern ihn auf meine Mailbox sprechen zu lassen und erst ein paar Stunden später zurückzurufen.
    «Das werden die schönsten Stunden deines Lebens sein», hatte Erdal prophezeit. «Er wartet, und du bestimmst, wie lange. Himmlisch! Vielleicht entscheidest du dich ja sogar, ihn nie zurückzurufen. Dann wird er sich bis an sein Lebensende quälen, und du wirst bis an dein Lebensende in dem Gefühl schwelgen können, jederzeit zurückrufen zu können und alle Trümpfe in der Hand zu haben.»
    «Spitze, dann sterbe ich als verbitterter Single, meine abgemagerte Hand in die Trümpfe gekrallt, und habe mich selbst um meine große Liebe gebracht.»
    «Ich bin ein großer Fan von Lebenslügen. Es ist leichter, sich einzureden, man hätte seine große Liebe frühzeitig verloren, als mit ihr alt zu werden und festzustellen, dass die große Liebe immer kleiner wird, einen Bierbauch und Hängebacken bekommt und dich trotzdem mit einer Jüngeren in Größe sechsunddreißig betrügt. Stell dir bloß mal vor, der Leonardo DiCaprio wäre nicht mit der untergegangen. Ein Albtraum! So kann sie ihn jung und knackig und voller Leidenschaft in Erinnerung behalten und sich einreden, er hätte sie ein Leben lang auf Händen getragen. Dabei hat der Typ absolut die Veranlagung zum Dickwerden. Und sie auch. Die hat ja jetzt schon um die Hüften rum mächtig zugelegt. Und was wäre aus ihnen geworden? Zwei frustrierte Moppel, die eine Katastrophe überlebt haben und sich zehn Jahre später vorwerfen, dass ihre Beziehung nicht so romantisch weitergegangen ist, wie sie angefangen hat.»
    Ooooh! Vibrationsalarm! Verdammt, im Display steht: «Unbekannte Nummer». Blöderweise habe ich nur Martins Handynummer gespeichert. Wenn er mich von zu Hause oder aus dem Büro anruft, kann er der Anrufer sein. Ich werde fast wahnsinnig. In den folgenden Minuten vibriert dieses elende Telefon noch dreimal, aber es wird keine Nachricht hinterlassen. Was, wenn Martin das, was er sagen will, nur mir persönlich sagen kann? Was, wenn er die Tatsache, dass ich nicht erreichbar bin, als Wink des Schicksals fehlinterpretiert? Alarm!!!
    «Hallo? Hier Dückers!»
    Ich brülle meinen Namen so laut ins Handy, dass mich jeder in der Warteschlange anstarrt wie eine Geistesgestörte.
    «Elli, hier ist Erdal. Wir hatten doch abgemacht, dass du nicht ans Telefon gehst. Ich

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