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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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nahm mir Zeit, Super-Nucki zu studieren, während Super-Nucki die Karte studierte.
    Ich mochte solche Typen noch nie. Die verachten grundsätzlich jede Musik, die in den Charts auftaucht. Die wissen, welche Turnschuhe gerade angesagt sind, in welchen Club man auf keinen Fall mehr gehen kann und dass es längst out ist, Kapuzenshirts unter Jeansjacken zu tragen. Mir gefallen die Plätze eins bis drei der Charts immer besonders gut, und ich trage einen Kapuzenpulli und darüber eine Jeansjacke.
    Nucki bestellte einen Whiskey Sour. Jung, cool, lässig. Womöglich kann ich Nucki nur deshalb nicht leiden, weil er all das ist, was ich nicht bin. «Für mich dasselbe», sagte ich und schämte mich noch im selben Moment, weil mir eigentlich viel eher nach einem süßen, sahnigen Cocktail zumute war, mit viel Eigelb, leckeren Kokosraspeln und buntem Schirmchen.
    Was tat ich hier eigentlich? Versuchte einem Typen zu gefallen, der mir nicht gefällt. Warum? Weil ich und die meisten anderen Frauen, die ich kenne, absolut abhängig sind von Anerkennung. Und zwar egal, von wem.
    Petra ist da anders. Die sagt: «Ich will nur gut gefunden werden von Leuten, die ich selber gut finde. Der Rest ist mir wurstegal.» Aus diesem Grund hat sie zwar wesentlich weniger Verabredungen als unsereiner, allerdings auch wesentlich weniger verkorkste Abende, bei denen die Konversation schon nach der Lektüre der Speisekarte ins Stocken gerät.
    «Die Wiederholung von bringt mir mehr als eine Verabredung mit einem Typen, der mich nicht interessiert», sagt Petra. Ich kontere lahm: «Du gibst den Leuten keine Chance. Wer weiß, wie viele tolle, aufregende, schillernde Persönlichkeiten du an dir vorüberziehen lässt, weil du im Vorfeld bereits viel zu streng aussortierst.»
    Nun, wenn ich ehrlich bin, weiß ich auch, dass die Wahrscheinlichkeit, ein echtes Highlight zu verpassen, sehr gering ist. Aber irgendwie musste ich mich ja verteidigen gegen Petras Vorwurf: «Egal, wer dir zuzwinkert, du zwinkerst immer zurück. Selbst wenn es sich um einen Zyklopen handelt.»
    Petra gab mir einen Roman, damit ich mal schwarz auf weiß lesen konnte, dass sie mit ihrer gnadenlosen Selektionsstrategie nicht allein dastand. Bei dem Autor müsse es sich um einen Seelenverwandten von ihr handeln, meinte sie. Die betreffende Passage war angestrichen: «Schubladendenken ist klasse! Dieser Scheiß von wegen . Humbug! Ich kann nicht mein Leben damit verschwenden, Leute näher kennen zu lernen, die mir eigentlich unsymphatisch sind, nur um mir ein Urteil bilden zu können. Es ist doch viel netter zu sagen: So geht das.»
    Ja, klar, das klingt toll. Was der Autor und meine liebe Freundin Petra aber zu erwähnen vernachlässigt haben: Es gehört ’ne Menge Selbstbewusstsein dazu, Leute unsympathisch zu finden und ihnen das auch noch zu zeigen. Irgendwann, das wäre nämlich meine Sorge, hast du womöglich alle vergrault, die du nicht magst, und dann stellt sich raus, dass keiner mehr übrig ist. Dass du ein paar Mal zu oft «Verpiss dich!» gesagt hast. Dann stehst du allein da und musst zugeben, dass nicht nur du keinen magst, sondern dass auch keiner dich mag. Und das ist ja ebenfalls nicht schön. Ich finde, es ist gar nicht so leicht auszutarieren: Soll man immer man selbst sein, mit dem Risiko, dass einen viele dann nicht leiden können? So nach dem Motto: Ich bin total authentisch und total einsam? Oder soll man sich anpassen, hier mal über einen Witz lachen, der nicht lustig ist, da ein Kompliment machen, das nicht so gemeint ist, und ab und zu einen Whiskey Sour trinken, obschon man lieber was ganz anderes will? Wie lange ist es schlichte Höflichkeit, und ab wann beginnt die Selbstverleugnung?
    Ich war mit meinen Überlegungen noch nicht wirklich weiter gekommen, als Super-Nucki plötzlich den Kellner heranwinkte und sagte: «Ich hab’s mir anders überlegt. Könntest du mir bitte statt Whiskey Sour eine Pina Colada mit viel Sahne bringen?»
    Bis vier Uhr tranken wir Pina Colada und redeten über alles Mögliche. Ich traute mich sogar, Super-Nucki zu fragen, warum er mich am Eingang des «Indochine» nicht erkannt hatte und ob er was gegen mich habe. Das war ziemlich mutig für meine Verhältnisse, aber ich hatte beschlossen, mir keine weitere Mühe zu geben, Super-Nucki zu gefallen. Warum auch? Er gab sich ja nun wirklich überhaupt keine Mühe, bei mir Eindruck zu schinden.
    Also wirklich,

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