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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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mehr Dummheiten angerichtet als in meiner gesamten Pubertät. Dass ich mich mit meiner Vorgesetzten überworfen habe, weil ich sie eine «faschistoide Superzicke» genannt habe, ist noch eine der harmloseren Katastrophen. Sie hat sich natürlich sofort bei Herrn Krüger beschwert, unserem Chef. Leider zu Recht, was ich natürlich nicht zugegeben habe. Ich war lediglich ein halbes Stündchen zu spät zur Arbeit gekommen, weil ich in der Nacht zuvor schluchzend «Tatsächlich. Liebe» auf Video angeschaut hatte.
    Es gab für mich kein Halten mehr, als ich mir zum vierten Mal die Szene ansah, wo der unglücklich verliebte Karl vor der Tür seiner angebeteten Sarah steht - leider, ein kleiner Schönheitsfehler des Films, ein makelloses Model - und ihr auf Papptafeln schweigend seine große, glücklose Liebe erklärt. Sie ist mit seinem besten Freund verheiratet, und es kann kein Happy End geben. Er weiß das, aber trotzdem muss er es einmal aussprechen, muss sich einmal zum Deppen machen, um dann die Hoffnung aufzugeben und Ruhe zu finden.
    Ich war derartig bewegt, dass ich die Szene abfotografierte, das Bild des vergeblich Liebenden ausdruckte und neben das blaue Kleid an die Wand hängte. Nach intensiver Betrachtung wurde mir klar: Das kann ich auch! War das nicht genau das, was Petra mit ihrem Satz gemeint hatte: «Du musst dich zur rechten Zeit mit großer Geste verabschieden»? Ja, ich war zu allem entschlossen! Die Zeit war gekommen! Lieber als Heldin der Liebe untergehen, als mir weiterhin mit kleinmütigen Beschattungs- und Taktikmaßnahmen das eigene Selbstwertgefühl zu versauen.
    Erst Dienstagabend war ich wieder mehrfach an Martins Haus vorbeigeschlendert, um nach ihrem Auto Ausschau zu halten. Nichts. Selbst um kurz vor Mitternacht hatte in seiner Wohnung noch kein Licht gebrannt. An einem Dienstagabend! Ich hatte das Schlimmste befürchtet und Erdal gebeten, mich zu Astrids Wohnung zu fahren. Also um die Ecke war das nicht gerade. Ihr Auto parkte direkt vorm Haus, seins konnten wir auch nach intensiver Suche im weiteren Umkreis nicht finden.
    Natürlich habe ich hinterher die kopflose Tat mächtig bereut. Aber wenn dich der Liebesschmerz überfällt, ist das wie ein plötzlich sinkender Blutzuckerspiegel: Dann muss was Süßes her, sofort! So viel wie möglich! Und wenn du nachher vor dem Haufen leerer Toffifee-Schachteln hockst, genierst du dich zwar ungemein vor dir selbst, aber du weißt auch, dass du keine Wahl hattest und es zu gegebener Zeit wieder tun würdest.
    «Tatsächlich. Liebe» hatte mir die Augen geöffnet, und ich war jetzt willens, meine Liebe unmissverständlich kundzutun, um dann, wenn nötig, für immer zu schweigen. In aller Eile beschriftete ich ein Stück Pappe und machte mich um kurz nach Mitternacht auf den Weg zu Martin. Als ich meine Wohnungstür schloss, kam ich mir noch heroisch vor. Ich hatte sogar darauf verzichtet, meine getönte Tagescreme aufzulegen. Ich würde mich ganz natürlich präsentieren.
    Als sich auf der Treppe herausstellte, dass ich vollkommen betrunken war - ich hatte ja wieder kaum etwas gegessen! -, war es zu spät, das Gleichgewicht zu halten. Unelegant rutschte ich fünf Stufen abwärts, knallte mit dem Knie gegen das Geländer und blieb ernüchtert liegen, um über mein sinnentleertes Dasein nachzudenken.
    Etwa drei Minuten später fand mich Super-Nucki in diesem Zustand. Und diesmal erkannte er mich leider sofort. Bei einer wie mir kann man ja auch echt nicht damit rechnen, ihr perfekt zurechtgemacht in einer Szene-Bar zu begegnen. Wohingegen man anscheinend wie selbstverständlich davon ausgehen kann, mich nachts betrunken und ungeschminkt im Treppenhaus liegend anzutreffen.
    «Guten Abend, Nucki», sagte ich so beherrscht wie möglich und schaute zu ihm rauf wie eine Raupe zum Empire State Building.
    «Hallo, Elli, wollen wir im noch einen Absacker trinken?»
    «Ich weiß es wirklich sehr zu schätzen, dass du so tust, als sei dies eine völlig normale Situation. Wenn du mir vielleicht kurz aufhelfen würdest? Dann komme ich gern mit. Ich habe nämlich definitiv noch nicht genug getrunken.»
    Auf den paar Metern zur Bar versuchte ich, mein Pappschild unauffällig zusammenzufalten. Die kühle Nachtluft tat mir gut, und ich wurde etwas klarer im Kopf. Gute Güte, was hätte ich da beinahe getan? Mir wurde bewusst, dass mich der kleine Treppenunfall vor dem Schlimmsten bewahrt hatte.
    Mit schmerzendem Knie kletterte ich auf einen Barhocker und

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