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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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einer hysterischen Schwulette auseinander zu setzen. Er habe zwar keine Vergleichsmöglichkeiten, aber er würde mal stark vermuten, dass ich schlimmer sei als jede Frau. Elli, als jede Frau! Ich meine, muss ich mir das sagen lassen? Muss ich mich so tief verletzen lassen von einem brutalen Bullen, der auf irre männlich macht, aber noch nicht mal tätowiert ist?»
    «Aber du bist doch auch nicht tätowiert, oder?»
    «Natürlich nicht, meine Haut ist dafür viel zu empfindlich, und ich habe auch ein viel ausgeprägteres Schmerzempfinden als andere. Das hat mir erst neulich mein Zahnarzt bestätigt. Es gibt nämlich nicht viele Menschen, die für eine Zahnbelagentfernung eine Betäubungsspritze benötigen. Aber dass dieser widerliche, gemeine, asoziale Karsten mir unterstellt, ich würde mich nur anstellen, hat mich so aufgeregt, dass ich mich hinlegen und meine Atemübungen machen musste. Ich weiß nicht, ob ich das alles gesundheitlich verkraften werde, aber eines weiß ich sicher: Karsten muss sich bei mir entschuldigen, ansonsten betrachte ich diese Beziehung als beendet.»
    «Ach, Erdal, ich würde an deiner Stelle nichts überstürzen. Vergiss nicht, wie du noch gestern von ihm geschwärmt hast: der Mann deines Lebens, der coolste und verlässlichste Typ, den du je hattest; zwar verschlossen und zurückhaltend, aber dafür mit einem riesigen.»
    «Bravo, Elli, du bist vielleicht ’ne tolle Freundin. Ich finde es absolut taktlos von dir, mich ausgerechnet jetzt, wo ich eine Trennung erwägen muss, an Karstens Vorzüge zu erinnern. Und dass du auch noch sein riesiges Genital erwähnst, das grenzt an seelische Grausamkeit.»
    «Ich wollte sagen: mit einem riesigen Herzen.»
    «Ach so, na ja, auch egal. Ich rufe jetzt meine Mutter an. Die liebt mich so, wie ich bin, und wird wohl kaum die Geschlechtsorgane meines Exlebenspartners ins Spiel bringen.»
    «Erdal, ich hab doch gar nicht.»
    Er hatte bereits aufgelegt. Eine halbe Stunde später rief er an, um mir zu sagen, dass er sich nun auch von seiner Mutter lossagen würde. Die hatte nämlich gemeint, dieser Karsten sei offensichtlich ein sehr vernunftbegabter Mensch und es sei höchste Zeit, dass ihrem Sohn mal jemand die Wahrheit sage.
    Um kurz vor sechs meldete er sich nochmal.
    «Ich war im Fitnessstudio und habe mir die ganze Sache durch den Kopf gehen lassen. Ich glaube, ich sollte nichts überstürzen, Elli, oder was meinst du?»
    «Das finde ich eine sehr gute Idee.»
    «Vielleicht rufe ich Karsten sogar gleich mal an, oder hältst du das für übertrieben?»
    «Dazu gehört innere Größe, Erdal, aber ich glaube, die hast du.»
    «Ich denke, du hast Recht. Sehen wir uns nachher?»
    «Nein, ich bin mit Tina verabredet.»
    «Was macht ihr?»
    «Feindbeobachtung. Ich will endlich wissen, wer Stumpi ist.»
    A. Crüll stand in Schreibschrift auf dem polierten Messingschild neben dem Klingelknopf. Ich fühlte mich sofort minderwertig bei dem Gedanken, dass ich meine Wohnungen mit krakelig beschriftetem Paketband kenntlich machte. Tina trug eine Baseballmütze und kein Make-up, um nicht erkannt zu werden. «Der wird mein Gesicht nichts sagen», versuchte sie mich zu beruhigen, «denn wer geht schon davon aus, dass eine gut verdienende Fernsehfrau am frühen Abend als Zeugin Jehovas vor der Tür steht?»
    «Bist du sicher, dass wir das hier wirklich tun sollten?» «Du musst dem Gegner in die Augen sehen. Und vergiss nicht: Du weißt, wer sie ist, aber sie weiß nicht, wer du bist. Es gibt also keinen Grund, nervös zu werden. Lass mich einfach reden. Bei mir zu Hause saßen schon so viele Zeugen Jehovas, dass ich deren Texte auswendig kenne. Halt also einfach die Klappe und schau dir die alte Kackbratze in aller Ruhe an.»
    Tina drückte die Klingel. Wir hörten Schritte in der Wohnung. Offenbar trug Stumpi hohe Schuhe. Kein Wunder bei dem Spitznamen, dachte ich hämisch. Da würde ich auch Stilettos statt Puschen tragen.
    Als sich die Wohnungstür öffnete, legte Tina sofort los: «Guten Abend! Bitte schenken Sie uns einige Minuten Ihrer Zeit. Wir wollen Ihnen nichts verkaufen, und Sie sollen nichts spenden. Wir möchten Ihnen in kurzen Worten darlegen, dass das Paradies nicht mehr...»
    Ich hielt den «Wachtturm» wie einen Schutzschild hoch. Tina redete und redete und ließ Stumpi nicht ein einziges Mal zu Wort kommen. Hat sie wohl von ihren Fernsehgästen gelernt. Stumpi schaute uns mit großen Augen an - und war einfach nur schön! Und als sei das nicht

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