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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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meine Folklorebluse aus Ungarn noch meine Sammlung Barbapapa-Radiergummis aufbewahrt habe. Wie sollst du das Gefühl haben, alt geworden zu sein, wenn im Radio die Remix-Versionen der Lieder gespielt werden, bei denen du deine erste Party gefeiert, dich zum ersten Mal aus Trunkenheitsgründen übergeben und Minuten später deinen ersten Zungenkuss bekommen hast? Wie sollst du dich erwachsen fühlen, wenn sich beim Indoor-Cycling-Kurs auf dem Fighter-Bike neben dir ein Sechzigjähriger den Schritt wund rubbelt?
    Früher haben solche Leute gemütlich in ihrem Ohrensessel gesessen, Thomas Mann gelesen und ihren Enkeln ab und zu einen Storck- Riesen zugesteckt. Heute stürzen sich grau melierte Mittvierziger bungeejumpend in die Tiefe, um das Gefühl zu haben, voll jung und voll crazy geblieben zu sein.
    Eigentlich versuchen wir alle, uns möglichst lange nicht wie Erwachsene zu benehmen. Und das Jungbleiben ist ja nun wirklich ein mörderischer Stress. Bloß kein Stillstand. Nie darf alles so bleiben, wie es ist. Immer muss schnell ein Erlebnisurlaub gebucht werden, sobald Routine droht. Ich muss ehrlich sagen, ich wäre heilfroh um ein wenig mehr Routine in meinem Leben. Und wenn ich erst den Mann, den ich liebe, zurückgewonnen habe und auf unserer Dachterrasse die ersten von mir gepflanzten Margeriten blühen, dann werde ich sagen: So soll es bleiben! Für immer! Und dann werde ich mich erwachsen fühlen und glücklich sein.
    Von meiner derzeitigen Lebenssituation her betrachtet, bin ich ja leider überhaupt nicht erwachsen. In einem Alter, wo andere Frauen sich nach drei Schwangerschaften die Brüste straffen lassen oder ihre zweite Firma gründen, ziehe ich zum ersten Mal in eine Wohngemeinschaft. Es ist ein Trauerspiel. Ich lebe wie eine Neunzehnjährige im Körper einer Zweiunddreißigjährigen. Besser wär’s ja andersrum.
    Natürlich gibt es auch einige positive Aspekte des Erwachsenwerdens. Ich trinke mittlerweile auch trockenen Wein und habe mir abgewöhnt, Süßstoff in den Champagner zu tun. Ansonsten aber habe ich mein Herz an einen Zweiundvierzigjährigen verschenkt, der mich abserviert hat, obwohl ich zehn Jahre jünger bin, von seiner Warte aus also durchaus noch jung. Da soll noch einer die Welt verstehen.
    Gerade überlege ich, mich aufzuraffen und den Whirlpool zu verlassen, als sich die Tür der Eukalyptussauna öffnet. Natürlich schaue ich dem jungen Mann, wie alle anständigen Frauen, als Erstes voll aufs Geschlechtsteil. Schade, er hat sich ein Handtuch um die Hüften gewickelt. Seine Knie sind jedenfalls von makellos straffer Haut umrahmt, sein Bauch ist flach und seine Brust unbehaart. Ganz so, wie ich’s gerne mag. Denn wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es, mich von Brust in Richtung Bauch runterzuküssen und dabei ständig Fusseln im Mund zu haben. Wirklich, einen behaarten Mann zu küssen, das ist wie eine von einem Laien selbst gedrehte Zigarette zu rauchen.
    Der junge Mann hat ordentlich breite Schultern, sein Hals ist nicht zu dünn, sein Kinn ist relativ markant, und sein Gesicht ist das Gesicht von Super-Nucki.
    Auweia!
    Ich tauche unter bis zu den Ohren. Bitte, bitte, er darf mich nicht sehen! Nucki springt kurz ins Eiswasserbecken und kommt jetzt auf die drei nebeneinander liegenden Whirlpools zu. Nein, nimm nicht den, in dem ich sitze! Per Fernbeschwörung versuche ich, ihn in eins der beiden anderen Becken zu lotsen. Nucki schaut kurz, blinzelt etwas und steigt dann in den Whirlpool rechts von mir. Puh! Ich wende mich nach links und schaue von nun an ausschließlich in diese Richtung. Ich finde, es gibt nichts Unangenehmeres, als einem Bekannten in der Saunalandschaft zu begegnen. Besonders, wenn es ein Bekannter ist, der nackt und mit nassen Haaren nicht so doof aussieht wie ich.
    Dieser verdammte Super-Nucki bleibt geschlagene zwanzig Minuten in seinem Becken hocken. Ich kann natürlich unmöglich aufstehen, während er noch da ist. Zu meinem Handtuch sind es mindestens fünf Meter; bis ich es erreiche, würde er mich bestimmt längst erkannt haben.
    Mensch, wäre ich doch wenigstens mal vorher auf die Sonnenbank gegangen. Ich finde, wenn man braun ist, ist alles nur noch halb so schlimm. Auch meine Ohren fallen nicht mehr so auf, wenn sie leicht gebräunt zwischen meinen nassen Haaren hervorkommen. Aber so? Zwischen meinem angeklatschten dunklen Haar ragen sie als appetitverderbende madenweiße Knorpelgnurpel hervor. Vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber jeder

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