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Blaue Wunder

Blaue Wunder

Titel: Blaue Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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normal ausgesehen, und ich wollte schon erleichtert loslegen, als sich der Kellner mir mit strafendem Blick, einem Hobel und einem dunkelbraunen Trüffel in der Hand näherte. Er raspelte uns wie ein Wilder
    Scheibchen von der unansehnlichen Kackknolle auf den Teller, weil Martin vorher noch «ruhig reichlich» gesagt hatte. Ich hatte gleich so ein dummes Gefühl bei der Sache, und Martin gab sich auch gar keine Mühe, seine Missachtung zu verbergen, als ich mich nach dem ersten Bissen daranmachte, die für meinen Geschmack ungenießbaren Trüffelscheibchen wieder rauszuklauben und am Tellerrand zu deponieren.
    Ich hab’s halt einfach nicht so mit der feinen Küche. Von Hummer habe ich mal einen Eiweißschock bekommen. Den Hummer hatte es auf der Hochzeit meines Cousins Walter gegeben, und ich fand, mit ordentlich Mayonnaise drauf war er auch genießbar. Muscheln, Langusten, Kaviar, das alles schmeckt mir viel zu sehr nach Meer. Und das finde ich fies. Ich meine, bei einem Rinderfilet schmeckt man doch auch nicht den Kuhstall raus. Was ich dafür gerne mag, ist eine leckere Blutwurst mit Kartoffelbrei und Zwiebelringen. Aber das soll ja auch nicht jedermanns Sache sein.
    Martin hatte dann irgendwann beschlossen, ich glaube, nachdem ich vor Nervosität mein Weinglas umgestoßen hatte, die Angelegenheit von ihren pädagogischen Möglichkeiten her zu betrachten. Hier konnte er jemandem so richtig was beibringen, und er erklärte mir, dass man seine Zunge an die exquisiten Geschmacksnoten nach und nach gewöhnen könne. «Die Haute Cuisine muss man sich erarbeiten», hatte er gesagt. Und ich hatte genickt und gedacht: «Warum sich zu etwas zwingen, was man nicht mag und was tausendmal teurer ist als das, was man mag?»
    «Ich hasse Fischmäc, du auch?», fragte mich Super-Nucki, und ich nickte. Fisch, Salat, Obst, alles was bei McDonald’s auch nur im entferntesten an gesunde Kost erinnert, ist das Letzte, da waren wir uns einig. Ich erzählte ihm auch gleich noch von meiner Abneigung gegen schwarze Oliven, und dann fragte ich Super-Nucki, warum er eigentlich Super-Nucki heißt, und er sagte, dass hätte ihm sein Vetter Norbert eingebrockt, der einen Klumpfuß hat und deshalb früher beim Fußballspielen immer die Rolle des Kommentators übernommen hatte. Und so sei irgendwann aus dem Mittelstürmer Nick Supinski der Super-Nucki geworden. Darüber sei er nicht glücklich, und es habe auch mal eine Phase gegeben, wo er allen seinen Freunden verboten habe, ihn so zu nennen.
    «Aber das hat überhaupt nichts genützt. Wenn sich so ein Name einmal eingeschliffen hat, wirst du den nie wieder los.»
    Ich nickte mitfühlend und war heilfroh, dass in Hamburg niemand wusste, dass ein beachtlicher Teil meines Freundeskreises in Hiltrup mich immer noch «Henkelchen» nennt. Warum, das erklärt sich wohl von selbst.
    Wir sprachen über Filme und über Musik, und ich konnte, glaube ich, ein bisschen Eindruck schinden, weil ich die «Rambo»-Trilogie mit Sylvester Stallone außerordentlich schätze und die erste Platte, die ich mir mit dreizehn Jahren gekauft hatte, «Highway to Hell» von AC/DC war. Während meiner Pubertät hatte dann sehr zu meinem Erstaunen nicht nur mein Körper, sondern auch mein Musikgeschmack weibliche Formen angenommen. Bis heute, ich war fatalistisch genug, um es Super-Nucki zu gestehen, stammt mein absolutes Lieblingslied von Nena:
     
    «Ich geh mit dir, wohin du willst
    Auch bis ans Ende dieser Welt
    Am Meer, am Strand, wo Sonne scheint
    Will ich mit dir alleine sein.
     
    Denn so wie es ist und so wie du bist
    Bin ich immer wieder für dich da
    Ich lass dich nie mehr alleine
    Das ist dir hoffentlich klar»
     
    Ich sang es ihm einmal komplett vor, hatte aber nicht den Eindruck, damit Super-Nucki s Geschmack hundertprozentig getroffen zu haben. War mir aber auch egal.
    Um kurz vor neun verabschiedeten wir uns, weil Super-Nuckis Schicht in der Videothek anfing. Das tat mir ein bisschen Leid, weil ich überhaupt keine Lust hatte, jetzt heimzugehen und in meinem
    Zimmer all den Problemen wieder zu begegnen, die ich so erfolgreich verdrängt hatte.
    Super-Nucki schien, trotz seiner Jugend, ein recht gutes Gespür für die Stimmungen anderer Leute zu besitzen:
    «Magst du ?» «Machst du Witze? Ich habe den ersten Teil ungefähr zehnmal gesehen.»
    «Vielleicht hast du Lust, das hier heute Abend anzuschauen? Ist eine DVD, die jemand bei einer Testvorführung in Amerika heimlich aufgenommen

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